Braunschweig-Kolleg

Aus Bauwissen


Braunschweig-Kolleg (ehem. "Akademie für Jugendführung")

Datei:Außenansicht, schmal.jpg
Braunschweig-Kolleg, 2018
Standort 52°24'24.9039"N 10°52'68.66640"E

52.242490, 10.526866 [1]

Städtebauliche Einordnung Akademie zur Schulung der Führerschaft der Hitler-Jugend
Bauaufgabe Reichsakademie
Baujahr 1936-39
Epoche Neoklassizismus
Architekt Erich zu Putlitz
Ingenieur -
Bauherr Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)
Beteiligte Firmen Firma Seegers (Heizungsanlagen), Firma Wunderlich (Be- und Entwässerungsinstallationen), Firma Zöhe (Schlosserarbeiten), Firma Mittendorf und die Ruberoidwerke A.G. (Isolierungen, Bedachungen und Gerüstbau), Firma Jacobasch (Klempnerarbeiten), Firma Uhde und Firma Brinkmann (Tischlerarbeiten), Firma Steinert und Firma Matinius & Co. (Glaserarbeiten), Firma Winter & Söhne und Firma Gebhard & Gralle (Fliesenarbeiten), Firma Kuhlmann (Stuckarbeiten)
Nutzung Braunschweig-Kolleg und Abendgymnasium
Konstruktion Stahlbetonskelettkonstruktion mit Natursteinfassade
Gebäudetyp Propylon
Baumaterial Konstruktion: Stahlbeton und Ziegelmauerwerk, Fassade: Andernacher Tuffstein aus der Eifel (Eruptivgestein, gelblich bis bräunliche Farbe)
Oberflächen Naturstein, Putz, Stuck

Baubeschreibung

Datei:Braunschweig Lageplan01.jpg
Lageplan mit Markierung des Braunschweig Kollegs
Städtebauliche Einordnung: Das Braunschweig Kolleg befindet sich ca. 3 Kilometer Luftlinie vom Zentrum der Stadt entfernt an der alten Verbindungsstraße zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel. Im 18. Jahrhundert entstanden auf diesem Gelände der Richmond-Park und das neogotische Schlösschen Wiliamscastle, welches im Jahr 1907 abgebrochen wurde und somit dem Braunschweig Kolleg Platz machte. Das Gelände wird jedoch im Norden von einem aufgeschütteten Eisenbahndamm begrenzt und hat mit seiner städtebaulichen Lage auch sonst für Braunschweiger Verhältnisse keinen hohen Wert. Trotz der fehlenden repräsentativen, städtischen Anbindung fiel die Wahl auf das Grundstück, da dieses kostenlos von der Stadt Braunschweig zur Verfügung gestellt wurde.

Außen:

Der ursprüngliche Entwurf vom Architekten Erich zu Putlitz sah eine Teilung der Akademie in drei Bereiche vor: die Akademie, der Sport- und der Wohnbezirk. Diese Gliederung ist auch im heutigen Zustand noch sichtbar. Der Akademiebereich befindet sich in einem symmetrischen, axial ausgerichteten Gebäude, das durch einen mit Steinplatten belegten Vorplatz von der Wolfenbüttler Straße getrennt ist. Mittig wird das Gebäude durch eine offene pfeilerbestandene Halle getrennt, welche die gewünschte repräsentative Würde weiter unterstreicht. Im Norden und Süden des Hauptflügels ergänzen zwei niedrigere Seitenflügel das Hauptgebäude. Die monumental anmutende Architektur wird im Süden durch fünf gleichartige Wohngebäuden ergänzt, die sich um einen Platz gruppieren.

Innen:

Das Erdgeschoss der Akademie wird von der Ehrenhalle aus über drei Stufen betreten, die zunächst in einen Windfang und dann in eine flurartige Eingangshalle führen. Die Eingangshalle verbreitert sich abschnittsweise zum Garten hin und bietet somit Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten. Im nördlichen Teil des Gebäudes war der administrative Teil und im Seitenflügel ein Hörsaal und eine Bibliothek untergebracht. Der südliche Teil verhält sich symmetrisch und beherbergte einen Speise- und einen Festsaal. Durch die mittige Säulenhalle gliedert sich die Akademie in zwei separate Funktionseinheiten, den akademieinternen und den öffentlich zugänglichen Bereich. Diese Zweiteilung ist auch in der heutigen Nutzung sichtbar - Nutzung auf der einen Seite durch das Braunschweig-Kolleg auf der anderen durch das Abendgymnasium. Diese klare Trennung bringt auch eine doppelte vertikale Erschließung mit sich und sorgt mit der Gleichwertigkeit der Eingänge für eine erschwerte Orientierung des Besuchers. Im 1. Obergeschoss, das ebenfalls zweigeteilt ist, befanden sich im Norden Unterrichtsräume und im Süden die medizinische Versorgung und eine Wohnung für einen Reichsjugendführer. Die beiden Seitenflügel sind jeweils zweigeschossig und beinhalten hier somit den Luftraum der unteren Räume. In der Anordnung der Räume wird sichtbar, dass der Grundriss nicht aus seiner Funktion entwickelt worden ist, sondern sich starr der Pfeiler- und Fensterordnung anpasst. Das 2. Obergeschoss verhält sich analog zum 1. und enthält weitere Unterrichtsräume und Wohnungen für Lehrer. Das 3. Obergeschoss nutzt im Gegensatz zu den unteren Geschossen die gesamte Grundfläche und erhält durch einen Fechtsaal oberhalb der Ehrenhalle eine Verbindung der Gebäudeteile. Das Hauptgebäude ist bis auf die Ehrenhalle vollständig unterkellert und fasst weitere Funktionen wie den Luftschutzbereich, ein Buchlager, eine Großküche, ein Kohlelager und ein Hallenschwimmbad. Der Gesamteindruck der Akademie macht deutlich, dass bei dessen Errichtung die Wirkung und nicht die Funktionalität des Gebäudes im Vordergrund stand.

Bau- und Nutzungsgeschichte

Im Oktober 1935 verkündete der Reichsjugendführer im Rahmen des neu entwickelten Berufsbildes des Jugendführers die Errichtung einer Akademie zur Schulung der Führerschaft der Hitler-Jugend. Die einjährige Ausbildung in der Akademie für rund 100 Schüler sollte zur Hälfte aus einer politischen Schulung und zur anderen Hälfte aus körperlicher Ertüchtigung bestehen. Im ausgeschriebenen Wettbewerb wurde folgendes gefordert: „Es galt eine Anlage zu schaffen, die nicht nur mit ihren Lehrkräften, sondern auch mit der Klarheit ihrer Hallen und dem Adel ihrer Räume freie und starke Führerpersönlichkeiten erziehen soll.“. Der Architekt Erich zu Putlitz, welcher bereits eine Reichsführerschule in München plante, löste die Aufgabe nach Ansicht des Reichsjugendführers am besten. Der Entwurf von zu Putlitz wurde im Zeitraum von 1936 bis 1939 ausgeführt. Im Jahr 1939 nur vier Wochen nach Eröffnung des ersten Lehrganges wurde jedoch der zweite Weltkrieg ausgelöst und der Lehrgang musste abgebrochen werden. Durch die Einberufung der Schüler und Lehrer in den Krieg, konnte die ursprüngliche Nutzung nicht umgesetzt werden. In den Jahren 1940 bis 1942 fanden in der Akademie Lehrgänge vom „Bund Deutscher Mädel“ statt. Daraufhin wurden die Wohn- und Schulungsgebäude für Lazarettzwecke in Anspruch genommen. Nach Wunsch des Reichsjugendführers konnte der Lehrbetrieb im November 1942 provisorisch wieder aufgenommen werden. Dieser wurde jedoch 1945 durch das Eintreffen der amerikanischen Truppen endgültig beendet, welche aus der fast unzerstörten Akademie die Möbel und Bücher plünderten. Nach Kriegsende wurden alle Hoheitszeichen und Symbole, die an das dritte Reich erinnerten abgeschlagen. Seit diesem Zeitpunkt wird die Akademie als Braunschweig-Kolleg und zunächst auch als Müllerschule und später als Abendgymnasium genutzt. Das äußere Erscheinungsbild blieb hierbei weitestgehend erhalten und lediglich im Inneren wurden kleinen Umbauten durchgeführt.


Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Die Akademie sollte besondere Bedeutung für das Reich haben und unterlag somit der Anforderung zum einen dauerhaft konstruktiv als auch repräsentativ die Autorität des Nationalsozialismus zu unterstreichen.

Die Gründung des Gebäudes besteht aus Streifen- und Einzelfundamenten. Auf diesen befinden sich massive tragende Ziegelwände im Keller- und Erdgeschoss. Die Stärke der Außenwände nimmt hierbei mit jedem Geschoss ab – im Keller 75cm, im Erdgeschoss 65cm und in den Obergeschossen 55cm. Die Lastableitung der Stahlbetondecken erfolgt zum einen über die tragenden Außenwände und zum anderen über quadratische Stahlbetonstützen (30 x 30cm). Die Stützen sind in der flurartigen Eingangshalle im Erdgeschoss freistehend. In den Obergeschossen dagegen werden die Stützten durch Flurwände verdeckt, welche aus zweischaligem nichttragenden Ziegelmauerwerk bestehen. Sowohl die Außenwände als auch die Säulen der Ehrenhalle sind mit Naturstein verkleidet. Dieser Naturstein ist ein Eruptivgestein aus der Eifel mit gelblich bis bräunlicher Farbe. Die Dachkonstruktionen wurden in zimmermannsmäßiger Holzkonstruktion ausgeführt.

Insgesamt entstand mit der Akademie eine durchdachte Konstruktion, die auch nach 40 Jahren noch keine Bauschäden aufwies. Das Haupttragwerk neben dem tragenden Ziegelmauerwerk war hierbei im Grunde eine Stahlbetonskelettkonstruktion. Diese verstecke zu Putlitz jedoch hinter Putz, Stuck und einer großformatigen Natursteinfassade, um den Eindruck einer archaischen Konstruktion zu vermitteln. Somit wurde ein großes handwerkliches Geschick vermittelt und die Monumentalität eines massiven Baus suggeriert.


Bilder

Quellen

  • Bültemann, Ulrich: Architektur für das Dritte Reich. Die Akademie für Deutsche Jugendführung in Braunschweig, Berlin 1986
  • Schultz, Jürgen: Die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig, Braunschweig 1978