Flughafen Braunschweig/Wolfsburg

Aus Bauwissen

Hauptgebäude Flughafen Braunschweig-Wolfsburg

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Flughafen Hauptgebaüde
Standort Lilienthalplatz 5, 38108 Braunschweig
Städtebauliche Einordnung Erschließung des zivilen Luftraums
Bauaufgabe Empfangshalle für Fluggäste
Bauzeitraum Okt. 1937 – 5. Mai. 1939 (Einweihung)
Epoche Neoklassizismus
Architekt Reg. Baumeister Schrade
Bauherr Flughafengesellschaft Braunschweig-Waggum M.B.H
Nutzung Dienststelle der Dt. Lufthansa, Flugleitung und Wetterdienst sowie Gaststätte und Hotelbetrieb
Konstruktion Massivbau
Gebäudetyp Flughafen-Mehrzweck-Zentralgebäude
Baumaterial Travertin, Stahlbeton, Nadelholz, Stahlträger (neu
Kosten 925.000 Reichsmark (Stand 1938)

Baubeschreibung

Außen:

Es handelt sich um einen langgezogenen symmetrischen Mauerwerksbau, der durch eine kolossalen Mittelportikus zentriert wird. Der zweigeschossige Bau mit einer Höhe von 9,15 m steht auf einer Grundfläche von 60 m x 16 m und wird nochmal von einem genauso hohen Walmdach abgeschlossen. Die Rücklagen links und rechts kommen auf eine Länge von je 25,75 m und sind mit jeweils zehn Fenstern pro Stockwerk versehen, die vorne 1,22 m breit sind und je 1 m auseinander liegen. Die Hauptfläche der Seitenflügel ist rau verputzt mit strukturell verziertem Travertin als Fenstereinfassungen, Eckquaderungen und hoch gemauerten Sockel auf dem die massive Kellerdecke liegt. Parallel unter den Fenstern sind auch gemauerte Erdschlitze, über die ein schmiedeeisernes Gitter gelegt wurde, um auch das Kellergeschoss mit Tageslicht zu versorgen.

Der Mittelportikus ragt als verbindendes Element 2,75 m hervor und steht über dem umliegenden Normalniveau auf einem Podest. Ihm ist eine flache Treppe mit zwei umschließenden Flügelmauern vorgelagert. Der eigentliche Portikus, besteht ebenfalls aus Travertin und setzt sich aus zwei schlank wirkenden quadratischen Pfeilern mit einem Durchmesser von 0,63 m und links und rechts liegenden Wänden zusammen. Der Portikus verläuft gradlinig auf der gesamten Höhe der zwei Stockwerke. Basis, Schaft und Kapitell der Pfeiler weisen hierbei keine Besonderheiten auf. Auf den beiden Kapitellen der Pfeiler liegt je ein Abakus auf, auf dem wiederum der mächtige dreiteilige Architrav aufliegt, der auch in die beiden Wände links und rechts eingebettet wurde. Der Abschluss wird durch eine überstehende Betondeckenplatte gebildet, auf die eine Attika gemauert wurde.

Das alles überspannende Walmdach hat an den vier Seiten lange Schleppgauben, wodurch ein voll ausgebautes drittes Stockwerk entsteht. In das Walmdach ist zur Rollfeldseite zusätzlich die Towerkonstruktion gesetzt worden, auf der nun die moderne Flugüberwachungskanzel thront.

Die Rückseite des Hauptgebäudes ist weniger aufwendig gestaltet, dafür sind die Fenster breiter und höher und liegen nur noch halb soweit auseinander, sodass man von innen dem Fluggeschehen besser zusehen kann. Zusätzlich ist der Rückseite noch ein alter verglaster Flugüberwachungsanbau vorgesetzt.

Innen:

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Sitzungssaal

Schreitet man nun durch den Portikus, so gelangt man in die Empfangs-/ Abfertigungshalle. Auch hier findet man den Travertin als polierte Variante an Wänden und Fußböden. Direkt neben der Eingangstür finden sich links und rechts kleine mit Messing beschlagene Türen, die einen Einblick in die massiven Wände des Portikus liefern. Hier sind Toiletten untergebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite findet man noch die alten Lufthansa-Kraniche an den Wänden. Links und Rechts gehen große Flügeltüren in die jeweiligen Seitenflügel des Gebäudes. Der gesamte Raum wird von einer alten Holzbalkendecke mit karo-Mustern überspannt. Leider verliert der Raum an seiner Großzügigkeit, da er durch die modernen Anforderungen der Abfertigung von Fluggästen mit Securityscan, Röntgengeräten und Check-in-Schaltern ausgestattet ist.

Die Seitenflügel dienen ausschließlich der Verwaltung und Flugsicherheit und zeigen eine moderne Verwaltungsarchitektur. Nur der Sitzungssaal direkt über der Empfangshalle hat seinen alten Charakter bei erneuten Umbauarbeiten zurückerhalten.

Bau- und Nutzungsgeschichte

In den frühen 1930er- Jahren entschied das Reichsluftfahrtministerium den zivilen Betrieb vom Flughafen Broitzem im Westen Braunschweigs, auf einen neuen Flughafen in den Norden der Stadt an den heutigen Standort zu verlagern. Broitzem sollte zukünftig für militärische Zwecke benutzt werden. Kurz danach begannen die Erdarbeiten des Rollfeldes am 18.02.1935.

Am 3.04.1935 kam es dann zur feierlichen Grundsteinlegung des Flughafengeländes durch Ministerpräsident Dietrich Klagges und am 27.05 1936 wurde der Flugbetrieb dann offiziell eröffnet.

Durch das wachsende Interesse der Bevölkerung an der neuen Reisemöglichkeit „Fliegen“ entstand schnell das Bedürfnis eines Empfangsgebäudes, da die alten Abfertigungsräumlichkeiten im unfänglichen „Flachbau“ nicht den gewünschten Komfort mit sich brachten. Für die Pläne des Vorplatzes war der Architekt „Reg. Baumeister“ Schrade verantwortlich. Da diese kurz vor den Erdbauarbeiten der Empfangshalle im Oktober 1937 erstellt wurden und jene Grundrisse beinhalten, kann davon ausgegangen werden, dass jener Architekt auch mit der Gesamtaufgabe des Projektes betreut wurde. Leider sind die Originalunterlagen in einem verehrenden Brand des Staatsarchivs in Hannover verloren gegangen. Das Richtfest der Empfangshalle war am 7.02.1938 und am 5.05.1939 wurde sie eingeweiht mit gleichzeitiger Namensänderung der Liegenschaft von „Hohenzollernplatz" zum „Platz der Legion Condor“.

Der Bau bot sämtliche neue technischen Annehmlichkeiten, um das Erlebnis „Fliegen“ dem Volk nahezubringen. Im Keller gab es eine voll elektrische Küche mit Speiseaufzügen und aktiver Unterdruckbelüftung. Dazu noch eine Flughafen Gastronomie/-Konditorei, mehrere Kühlräume für Speisen und Getränke sowie eine Wäscherei und Heizungsanlage mit Warmwasseraufbereitung.

Im Erd- und Obergeschosse gab es ein Restaurant mit aktiver Überdruckbelüftung und dazu verteilt drei Büfetts. Sowohl die fensterreiche Rückseite des Gebäudes als auch die großen Terrassen davor luden dazu ein vom Restaurant, Kaffee oder Teeraum den Flugzeugen beim Starten und Landen zuzuschauen. Im Gesellschaftsraum konnten Zigarren gepafft werden, dies war aber lediglich der männlichen Bevölkerung vorbehalten, und das Hotel im Dachgeschoss bot einigen Gästen auch Übernachtungsmöglichkeiten. Der rechte Flügel des Gebäudes war der Verwaltung vorbehalten und mit einem modernen Rohrpostsystem ausgestattet. Die Nutzung des Hauptgebäudes während des Zweiten Weltkriegs sowie kurz danach ist nicht weiter dokumentiert, da am 27.8.1939 die Luftwaffe die gesamte Anlage übernahm und somit die zivile Luftfahrt vorerst beendete. Nach dem Krieg wurde wieder eine Namensänderung des Vorplatzes zum heutigen „Lilienthalplatz“ getätigt.

In den 1950er- Jahren sollte für die stetig weiter ausgebaute Landebahn ein neuer Anbau für die Flugleitung errichtet, sowie Platz für mehr Verwaltungsbüros geschaffen werden. Hierzu wurde der Architekt Dr. Ing. Werner Vogel beauftragt. Am 31.10.58 wurden die Pläne des Anbaus genehmigt. Aufgrund von Geldmangel wurde der Bau aber erst am 8.07.1960 fertiggestellt. Für den Umbau des Dachstuhls für mehr Büros, musste geklärt werden, wie viel natürliches Tageslicht vorgeschrieben sei. Es wurde festgelegt, dass die Fensterfläche 1/12 der Grundfläche das Raumes betragen sollte. Daher wurden die Pläne für den Abriss der alten Gauben und den Neubau der Schleppgauben mit einer größeren Fensterfläche erst am 1.09.1962 genehmigt und bis zum 1.11.1963 umgesetzt.

Durch das stätige Wachsen des Flugverkehrs veränderte sich auch die Größe der Flugzeuge und somit wurden auch die Anforderungen an die Flugsicherheit größer. Deshalb musste dafür eine größere Kanzel auf dem Turm errichtet werden. Die Genehmigung für die Pläne von Architekt Wolfgang Rust wurden zum 9.1.1979 erteilt. Bis zum Ende des Jahres wurde die neue Kanzel schließlich fertiggestellt. Dazu musste die Tower Konstruktion mit zusätzlichen Stahlträgern verstärkt werden. Zwei Jahre später wurden dann die letzten Überreste des ursprünglichen Komforts zu Nutzungszwecken umgestaltet. Die Pläne von Dipl.-Ing Reinhold Schadt und Ing.-Büro Georg Minnich zur Umgestaltung und Umbau der Gaststätte im Erd- und Obergeschoss für größere Büroflächen des Verwaltungs-Apparates, wurden am 11.11.1981 genehmigt. (siehe Bilder 3-6) Das Vorhaben wurde einige Monate später am 1.04.1982 abgeschlossen. Die Gaststätte wurde in das Terrassengebäude verlegt, um Platz für weitere Büroräume zu schaffen. Für den neuen Sitzungssaal, der dem alten Gesellschaftsraum nach-empfunden wurde, mussten wiederum Büros weichen.

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Grundriss Erdgeschoss vor 1982
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Grundriss Erdgeschoss nach 1982
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Grundriss Obergeschoss vor 1982
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Grundriss Obergeschoss nach 1982

Die letzten großen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen wurden dann aufgrund neuer Brandschutzrichtlinien von 2014 bis 2016 vorgenommen. Hier wurden Brandschutzwände gezogen und kürzere Fluchtwege angelegt. Dies geschah durch zusätzliche Ausgänge sowohl im Keller als auch im Erdgeschoss.

Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Zu Zeit des Nationalsozialismus entstanden viele monumentale Bauten von massiver Kompaktheit, mit wenigen Gliederungselementen wie Kolonnaden, Portiken und steinernen Fensterkreuzen. Sie stechen heraus durch ihre streng symmetrische Komposition und Axialität zur Umgebung und erzeugen ein starres architektonisches System. Neben Form und Komposition verkörpert auch das Steinmaterial Härte, Disziplin und Wehrhaftigkeit als gebaute Propaganda. Diese Epoche wird allgemein als Monumentalismus oder nationalsozialistischer Neoklassizismus bezeichnet. In dieses Schema passt perfekt das Hauptgebäude des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg. Dies bestätigen die schlichten Akzente der steinernen Fenstereinfassungen auf der Vorderseite, die Kolonade entlang des Terrassengebäudes und der sehr präsente alles überragende Mittelportikus.

Der massive Bau wurde als zeittypischer Mauerwerksbau mit Zwischendecken aus Nadelhölzern errichtet. Der gesamte Bau ist unterkellert und abgedeckt mit einer massiven Stahlbetondecke.

Für heutige Verhältnisse scheint der Braunschweiger Flughafen mit seiner Abfertigungshalle vergleichsweise klein und unbedeutend zu sein. In den Anfängen der Luftfahrt, in der größere Flugzeuge im Jahr 1939 lediglich vier Personen je Maschine transportierten, galt der Braunschweiger Flughafen, neben dem Berliner, aber zu den größten und bedeutendsten in Deutschland.


Quellen

  • Vgl. Ernst-Johann Zauner, Fliegen und Forschen 75 Jahre Flughafen Braunschweig-Wolfsburg 2011, S.8ff
  • Vgl. Hans Austinat, Braunschweigische Luftfahrtgeschichte 2010, Der Flughafen Braunschweig Waggum 1934-1945 S.78ff
  • Vgl. WillhelmSondermann und Baurat Ing. Lindemann, FLUGHAFEN Zeitschrift des Reichsverbandes der deutschen Flughäfen e.V., 7. Jahgang April/Mai 1939 Heft 4/5
  • Bauaktenarchiv (Beratungsstelle Planen -Bauen –Umwelt) Grundrisse und Bauanträge (erster Antrag ab 31.10.1958)
  • Stadtarchiv, Bilder Berichte und ein Grundriss des Hofes von 1937