Gewandhaus

Aus Bauwissen


Gewandhaus Braunschweig

Datei:Ostfassade.jpg
Gewandhaus Braunschweig, 2018
Standort 52°15'45.15"N 10°31'5.11"E [1]
Städtebauliche Einordnung Handelsgebäude
Bauaufgabe Handelsort für Gewandschneider
Baujahr vor 1268 (Ersterwähnung, mehrere Bauphasen)
Epoche Gotik, Renaissance
Architekt -
Ingenieur -
Bauherr Gewandschneidergilde (Tuchhändler)
Beteiligte Firmen -
Nutzung Industrie- und Handelskammer Braunschweig
Konstruktion Massivbau
Gebäudetyp urspr. Gildehaus, Tuchkaufhaus mit Speicherraum
Baumaterial Fassade: Kalkstein (Hauptfront), Bruchsteinmauerwerk, u.U. Rogenstein
Oberflächen -

Baubeschreibung

Außen

Das Gewandhaus Braunschweig hat einen sehr langen, rechteckigen Grundriss, der sich in der Länge auf ca. 63 m erstreckt. Es hat zwei, bzw. drei Stockwerke. Das dritte Stockwerk befindet sich nur in der hinteren Hälfte des Gebäudes. Die Südfassade wird komplett von dem Neubau der Industrie- und Handelskammer verdeckt, die Nordfassade ist dagegen nicht vollständig verbaut. Zu sehen ist die mächtig wirkende Außenwand des Gewandhauses, mit zwei Zugängen zum Gewandhaus, sowie zu dem Gewandhauskeller. Eine Freitreppe führt zu einem Portal der ehemaligen Hagenmarktapotheke, der ausgeschmückt ist und eine Inschrift trägt: „Verbum Domini Manet in Aeternum“ (Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit). Die Wand ist mit vielen Fenstern versehen, in den oberen Stockwerken mit Segmentbögen, im Erdgeschoss moderne Fenster. An der Nord-West Ecke des Gewandhauses steht ein Fachwerkhaus von 1643, welches in Rüningen aufgrund von Baufälligkeit abgebaut, und an der Fassade des Gewandhauses wieder aufgebaut wurde, um beispielhaft die Gestaltung der Nordfassade wieder herzustellen. Der berühmte Giebel an der Ostfassade des Gewandhauses ist sehr prunkvoll im Stile der Renaissance geschmückt und ist ein einzigartiges Beispiel für die Giebelgestaltung in Mittel- und Norddeutschland um 1600. An der Ostfassade befindet sich zudem ein Laubengang mit einem Eingang zum Gewandhauskeller. Der Westgiebel ist im Vergleich zum Ostgiebel schlicht gestaltet. Das Mauerwerk ist hier sehr dünn verputzt, sodass die Struktur des Mauerwerks noch sichtbar ist. An der Westfassade befindet sich ein weiterer Eingang. Außen ist das Gebäude vollständig aus einem sehr heterogenen Natursteinmauerwerk erbaut. Verwendet wurde Kalkstein. Über das ganze Gebäude erstreckt sich ein Satteldach mit einer einfachen Tonziegeldeckung.

Innen

Die Räumlichkeiten des Gewandhauses werden heute zum wesentlichen Teil von der Industrie- und Handelskammer Braunschweig genutzt. Der Innenausbau richtet sich demnach genau nach den Bedürfnissen der IHK und ist nicht mehr mit dem mittelalterlichen Innenausbau zu vergleichen. Im Erdgeschoss befinden sich Klubräume und Präsentationsräume der Stadt, sowie eine Vorhalle, unter anderem mit Zugang zum Keller und Aufgang zum Kongresssaal, der sich im 1. Obergeschoss befindet. Neben Räumen für Garderobe und WC befindet sich zudem noch eine Küche im Erdgeschoss. Außerdem befinden sich zwischen Gewandhaus und Gebäude der IHK zwei größere Lichthöfe. Im 1. Obergeschoss befindet sich an der Ostseite des Gebäudes ein großer Sitzungssaal der IHK, sowie ein Kongresssaal. Neben WCs und Garderobe befinden sich an der Westseite des Gewandhauses Personal- und Wirtschaftsräume sowie eine Wohnung in dem Fachwerkhaus.


Bau- und Nutzungsgeschichte

Die ursprüngliche Nutzung des Gewandhauses geht auf einen wirtschaftlichen Boom in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. Ein neues Gebäude sollte mehr Platz für Tuchhändler bieten. Zum einen als Lagerort für die großen Mengen des in Braunschweig hergestellten Tuchs, zum anderen als Handelsort für die Geschäftsleute. Die Stadt hat zudem das Gewandhaus als Sitz für die städtische Kaufmannschaft und als Sitz für die wichtigsten Gilden genutzt. Der Keller war für die Lagerung von Bier und Wein gedacht und wurde als Ort für die Schankwirtschaft genutzt. Das Gewandhaus diente zur damaligen Zeit also nicht nur als Ort an dem Handel getrieben werden sollte, sondern diente auch Repräsentationszwecken für Händler als auch für die Stadt. Der Vergleich mit dem im Verhältnis kleinen Rathaus macht die Wichtigkeit eines Gewandhauses zur damaligen Zeit deutlich. Der genaue Zeitpunkt des Erbauens ist nicht eindeutig bekannt. Indizien sprechen aber dafür, dass das Gebäude bereits vor 1268 erbaut wurde, zu dieser Zeit wurde es erstmalig erwähnt. Das Gewandhaus wurde dann zum großen Teil von den Gewandschneidern bezogen, von denen auch der Name des Gebäudes „Gewandhaus“ stammt. Früher wurde das Gebäude auch als Kophus (Kaufhaus), Gildehaus, Tuchhaus, Kleiderhof-/haus oder Wandhus bezeichnet. Doch die Nutzung des großen Gebäudes änderte sich mit den Jahrhunderten häufig. So wurde beispielsweise das Gewandhaus im 14. Jahrhundert von der Stadt auch als Lagerraum für diverse Dinge genutzt. Im Jahre 1588 bis 1592 wurde das inzwischen baufällige Gewandhaus von der Stadt saniert und umgebaut. Um 1702 mussten die Händler, die im zweiten Geschoss ansässig waren, das Geschoss räumen, da die Stadt dieses als Kornlager nutzen wollte. Im Jahre 1905 kam die IHK Braunschweig ins Spiel. Grund dafür war, dass mehrere Eigentümer der Häuser an der Südfassade eine neue Bebauung planten, die sehr zum Nachteil des Gewandhauses gewesen wäre. Die IHK machte der Stadt den Vorschlag, die Häuser zu kaufen, um einen Neubau zusammen mit der Nutzung des alten Gewandhauses zu verwirklichen. 1906 kam es dann zu einer Einigung. Die IHK kaufte das Gewandhaus und die anliegenden Häuser der Südseite und verwirklichte bis 1910 ihre Pläne eines neuen Geschäftshauses in den heutigen Straßen Brabandtstraße / Garküche verbunden mit dem im Inneren umgebauten Gewandhaus.

Besonders erwähnenswert ist der Ostgiebel des Gewandhauses. Dieser wurde in seiner ursprünglichen Form in den Jahren 1589 bis 1591 von den den Baumeisern Hans Lampe, Balthasar Kircher und Jürgen Röttger erbaut. Außerdem soll ein Einfluss des Malers und Architekten Hans Vredeman de Vries nachweisbar sein. Der Prunkgiebel gilt als eines der: „(...) Hauptbauwerke der deutschen Renaissance (...)“ [1] Das Besondere des Ostgiebels ist unter anderem seine geometrische Struktur, die nur aus klaren geometrischen Formen gebaut ist, welche aber nicht gleich erkennbar sind. So zitiert zum Beispiel Karl Birker in seinem Heft „Der geometrische Aufbau der Ostseite des Gewandhauses in Braunschweig“ den Architekten P.J. Meier aus seinem Buch von 1936: „Die Schauseite des Gewandhauses entspricht in ihrer Stockwerkseinteilung keineswegs den hinter ihr liegenden Stockwerken selbst, sondern ist offenbar unabhängig von diesen auf dem Zeichenbrett rein geometrisch erfunden worden.“ [2] Der Teil über dem Laubengang besteht aus einem Quadrat, der Giebel selbst aus einem gleichseitigen Dreieck. Die genaue geometrische Deutung befasst sich mit der Quadratur und der Triangulatur. Im zweiten Weltkrieg wurde das Gewandhaus mit seinen Giebeln in der Nacht vom 14.10.1944 während eines Bombenangriffs schwer beschädigt. Die Fachwerkhäuser, die die Nordwand verdeckten, wurden komplett zerstört. Der Ostgiebel stürzte ca. 1½ Jahre später während eines Sturms ein. Der Wiederaufbau und die Restaurierung des Gewandhauses begann 1946 durch den Architekten Prof. Dr.-Ing. Friedrich Kraemer. Die Giebel wurden unter anderem von den Bildhauern Prof. Hofmann, Prof. Edzard, Egon Schiffers und Karl Birker wiederhergestellt und mit eigener künstlerischer Freiheit versehen. Einem Maskenkopf wurde zum Beispiel das Gesicht von Picasso gegeben, ein anderer hat sein eigenes Gesicht verewigt. Erwähnenswert ist natürlich auch der Westgiebel des Gewandhauses. Dieser ist sehr viel schlichter gestaltet als der Ostgiebel. Er wurde um 1590 erbaut. Dieser Giebel wurde beim Wiederaufbau in den Zustand von vor 1907 zurückversetzt.


Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Das Gewandhaus wurde im Mittelalter um ca. 1300 erbaut und ist somit als Gesamtbauwerk der Gotik zuzuordnen. Besonders charakteristisch dafür sind die massiven Kellergewölbe, die als Kreuzrippengewölbe gebaut wurden. Die Giebel wurden erst später erbaut, in den Jahren 1589 bis 1591 der Ostgiebel und im Jahre 1590 der Westgiebel. Daher sind beide Giebel im Stil der Renaissance gebaut. Interessant ist die zeitgeschichtliche Einordnung der Nordfassade, da diese vor der Zerstörung ganz verbaut war und die Fachwerkhäuser nicht rekonstruiert wurden. Deshalb musste der Architekt Franz Kraemer eine passende Gestaltung dieser Nordfassade finden. Zu Nennen ist der Eingang mit der Freitreppe zum Renaissanceportal. Dieses Portal stammt ursprünglich von der Hagenmarkt-Apotheke und wurde hier denkmalpflegerisch „verwertet“. Außerdem mussten die Fenster neu angeordnet werden. Interessant ist hier die versetzte Anordnung der Fenster zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoss. Außerdem wurden hier Segmentbögen als Fensterstürze gewählt, was eher gegen die Gotik und für die Renaissance spricht. Dies könnte auf die häufige Umnutzung des Gebäudes hindeuten, da Fenster zu der Zeit nur der Belüftung des Speicherraum dienten.


Bilder

Literatur

  • Birker, Karl (1984) Der geometrische Aufbau der Ostseite des Gewandhauses in Braunschweig
  • IHK Braunschweig (Herausgeber) Das Gewandhaus zu Braunschweig - Vom „Kophus der Wandtsnidere der Altstadt“ zur „Industrie- und Handelskammer Braunschweig“
  • Stelzer, Otto (1953) Der Wiederaufbau des Gewandhauses Braunschweig

Einzelnachweise

  • [1]Stelzer, Otto (1953) Der Wiederaufbau des Gewandhauses Braunschweig (S.4)
  • [2]Birker, Karl (1984) Der geometrische Aufbau der Ostseite des Gewandhauses in Braunschweig (S.13)

Weblinks