Herzog Anton Ulrich Museum

Aus Bauwissen


Herzog Anton Ulrich-Museum

Datei:Herzog Anton Ulrich-Museum.jpg
Herzog Anton Ulrich-Museum, 2016
Standort 52°15'48.6432"N 10°31'59.2068"E

52.263511, 10.533114 [1]

Städtebauliche Einordnung Neue Unterbringung des Museums
Bauaufgabe Museumsbau
Baujahr 1883-87
Epoche Historismus
Architekt Oskar Sommer
Ingenieur -
Bauherr Herzogtum Braunschweig
Beteiligte Firmen -
Nutzung Museum (Ausstellung und Lagerung der Sammlung)
Konstruktion Massivbau
Gebäudetyp Öffentlicher Museumsbau
Baumaterial Fassade: Sandstein
Oberflächen -

Baubeschreibung

Außen

Das Herzog Anton Ulrich-Museum ist ein langgezogenes Gebäude mit rechteckigem Grundriss und nahezu perfekter Ost-West-Ausrichtung der Längsachse. Es hat drei Stockwerke und einen Keller. An den Kopfenden und an den Längsseiten befinden sich Risalite. Die Risalite an den Längsseiten sind am westlichen bzw. östlichen Ende des Gebäudes. In deren Achse sind auf dem Dach zwei Lichtkuppeln angebracht. Die Fassade ist bis auf einige Elemente ganz in Sandstein gehalten. Im Erdgeschoss findet sich eine Rustika mit runden Fensterbögen und steht auf einem niedrigen Sockel, der ebenfalls in Rustika gehalten ist und kleine Fenster beinhaltet. Die Geschosse sind mit Simsen voneinander getrennt. Im Piano Nobile sind die Fenster in Ädikulen gefasst, die alternierend mit Segment- bzw. Dreiecksgiebeln bestückt sind. An den Risaliten befinden sich geschossübergreifende Halbsäulen an der Südseite und Pilaster an den anderen Seiten. Im Mezzaningeschoss sind zwischen den Fenster Künstlerreliefs angebracht, die bedeutende Künstler des 13.-14. und 16.-17. Jahrhunderts zeigen. Diese sind in Zement gegossen. Wegen der aktuellen nationalistischen Grundstimmung wurden französische Künstler nicht abgebildet. Im westlichen Kopfrisalit sind aufgrund des Treppenhauses die Geschosse um die Höhe des Sockels nach unten versetzt.

Innen

Museumsdirektor Hermann Riegel hatte im Vorhinein alle Objekte inventiert und somit den Platzbedarf sehr genau bestimmt. Die Raumaufteilung wurde somit komplett nach seinen Anweisungen gestaltet. Insgesamt besitzt das Gebäude ein zweiachsig aufgebautes Erdgeschoss, darüber ein dreiachsiges Obergeschoss. Darauf kommt abschließend das Mezzaningeschoss hinzu. Da im Erdgeschoss Mittig zu wenig Licht von außen in den Raum gelangen kann, verzichtete Sommer hier auf eine Mittelachse. Stattdessen wurden mittig Heizungs- und Lüftungsschächte in eine meterdicke Trennwand eingebaut. Das Treppenhaus sollte nach Riegels Wunsch möglichst klein und unauffällig in einer Ecke der Seitenrisalite entstehen. Da dies jedoch mit Sommer und dem Bauamt nicht vereinbar war, wurde es zwar mittig in den Seitenrisaliten, allerdings immer noch eher unaufdringlich positioniert. Die Innenraumgestaltung viel hauptsächlich aufgrund von Kosteneinsparungen sehr zurückhaltend aus. Das erste Obergeschoss ist für die Hauptausstellungsräume vorgesehen, welche über zwei Stockwerke gehen und durch die Oberlichter im Dach beleuchtet werden. Hierher kommt auch der Name des Projekts „Nordlicht“, da durch besagte Oberlichter das vom Museumsdirektor gewünschte Nordlicht in die Räume gelangt.


Bau- und Nutzungsgeschichte

Das heutige Gebäude des Herzog Anton Ulrich-Museums wurde zwischen 1883 und 1887 nach Plänen des Frankfurter Architekten Oskar Sommer unter der Aufsicht des Herzogtums Braunschweig erbaut. Als Vorbild diente unter anderem Klenzes Alte Pinakothek in München. Sommers Entwurf ist vom Stil her in Anlehnung an die italienische Spätrenaissance entstanden.

Von 1764 bis zur Eröffnung des Neubaus 1887 war das Herzog Anton Ulrich-Museum im Zeughaus des Paulinerklosters in Braunschweig unter dem damaligen Namen „Fürstliches Kunst- und Naturalien-Cabinet“ untergebracht. Dort befand sich die Ausstellung in einem sehr unordentlichen Zustand: Die Exponate waren unbeschriftet und in keiner Weise sortiert. Auch standen die Ausstellungsstücke sehr eng beieinander, da nicht viel Platz vorhanden war. Dazu kam, dass das Zeughaus nicht beheizbar war und deswegen nur vom 1. Mai bis November mittags von 11 bis 13 Uhr geöffnet hatte. Durch die nicht vorhandene Beheizung waren die Umstände der Lagerung entsprechend schlecht. Als 1871 Herman Riegel nach dem Tod von Heinrich Blasius Museumsdirektor wurde und das Museum in seinem desaströsen Zustand vorfand forderte er direkt einen Neubau. Mit relativ geringen Mitteln gelang ihm ein Museumsbau, der zu seiner Zeit zu den fortschrittlichsten hinsichtlich der Raumkonzeption, der Belichtung und der Belüftung gehörte. Dies erreichte Riegel indem er sich schon vor und unmittelbar nach seinem Dienstantritt jeweils vor Ort über die aktuellen Tendenzen und Fortschritte des Museums- und Galeriebaus informierte. So unternahm er Reisen nach Köln, München, Dresden und Kassel. Besonders mit dem Architekten der sich momentan im Bau befindlichen Kasseler Gemäldegalerie, Heinrich von Dehn-Rotfelser, tauschte er sich intensiv aus. Insgesamt steckte Riegel sehr viel Arbeit in das Projekt und arbeitete sehr eng mit dem Architekten Oskar Sommer zusammen. Zwölf Jahre nach Riegels Amtsantritt konnte 1883 nach der Bewältigung verschiedener Hürden mit dem Bau begonnen werden. Es gab eine öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit des Bauvorhabens, da Braunschweig zu der Zeit auch gut ein neues Krankenhaus gebrauchen konnte. Riegel argumentierte daraufhin mit dem schlechten Zustand des Museums im Zeughaus. Die Hürde war damit genommen. Danach musste noch ein geeigneter Bauplatz gefunden werden. Dabei mussten funktionale und repräsentative Ansprüche vereint werden. Der Platz am Steintor wurde dafür als für am besten geeignet befunden. Eine weitere Frage die es zu klären galt, war die des Eigentums, da Herzog Wilhelm keine Nachkommen hatte. Deswegen wurde zunächst der Umbau des Zeughauses veranlasst. Nach kurzer Zeit wurde jedoch klar, dass man nicht um einen Neubau herum kommen würde, da die Bedingungen im Zeughaus nur marginal verbessert werden konnten.

Architekturwettbewerb

Am 24. Mai 1882 wurde der Wettbewerb für den Entwurf des Museums von der Landesversammlung offiziell beschlossen. Von den 22 eingegangenen Bewerbungen wurden schließlich 20 für die Teilnahme an dem Wettbewerb zugelassen. Bei der Entscheidung einer hochkarätig besetzten Jury am 9. Oktober 1882 setzte sich Oskar Sommer mit seinem Projekt „Nordlichter“ als Sieger durch. Jedoch wurde keines der Projekte, selbst das Prämierte, von der Jury als ausführungswürdiger Entwurf betrachtet, woraufhin Sommer seine Pläne innerhalb eines Monats unter strikten Anweisungen des Museumsdirektors Riegel überarbeiten sollte. Am 9. Dezember desselben Jahres wurde schließlich der Neubau des Museums nach den neuen Plänen Sommers beschlossen. Oskar Sommers erster Entwurf war von der äußeren Form und den Ausschmückungen noch sehr vom Prunk bestimmt. Besonders das große Mittelrisalit und die abgerundeten Kopfenden wurden von Herman Riegel als zu prunkvoll und daher nicht sinnvoll befunden. In seinem überarbeiteten Entwurf beschränkte sich Sommer auf die beiden zurückhaltenden Seitenrisalite, anstatt des großen Mittelrisalits und auch die Seiten wurden eckig und damit weniger ausgeschmückt gehalten. Hinzu kam ein zusätzliches Mezzaningeschoss, wodurch die Proportionen des Gesamtgebäudes deutlich verändert wurden und der Fokus deutlich mehr auf das Gebäude an sich und weg von den Risaliten führt. Ebenso gestaltete Sommer die Kuppeln über den Seitenrisaliten wesentlich schlichter und reduzierte das Kranzgesims. Im endgültigen Bauzustand wurde die Fassade noch weiter vereinfacht. Die Lichtkuppeln sind nun ganz schlicht gehalten und beschränken sich auf ihre Funktionalität. Die Balustrade wurde ganz zurückgenommen, so wie die ursprünglich von Riegel geforderten Sgrafitti an den Kopfenden des Museums. Oskar Sommer sah darin einen Stilbruch, da sich die Sgrafitti nicht in die Schlichtheit des restlichen Baus einfügten. Als Ersatz wurden dann die Künstlerreliefs im Mezzaningeschoss an der Nord- und Südseite hinzugefügt. Diese Maßnahmen wurden hauptsächlich aus Kostengründen veranlasst. So wurden zum Beispiel die Reliefs in Zement gegossen, anstatt in Stein gehauen.


Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts war eine Zeit, in der in Deutschland viele Museen gebaut wurden. Hier sticht das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum in mehreren Punkten heraus und unterscheidet sich sehr von zeitgenössischen Museumsbauten. Durch seine intensive Auseinandersetzung mit dem Museumsbau, einer gut durchdachten Konzeption und seinen Reisen zu Deutschlands Museen hat es Riegel mit Oskar Sommer zusammen geschafft ein in sich sehr schlüssiges und funktionales Gebäude zu planen und zu konstruieren. Im direkten Vergleich zu anderen Museumsbauten dieser Zeit verhält sich das Herzog Anton Ulrich-Museum vom äußerlichen Erscheinungsbild sehr schlicht und wenig auffällig. Hier wird deutlich, dass bei einem finanziell begrenzten Budget der Fokus vom äußerlichen Prunk des Gebäudes weg, eher in Richtung der Konzeption als Museum an sich geleitet wurde. Dennoch sind unmissverständlich Elemente des Historismus zu erkennen. Beispielsweise das mit Rustika ausgebildete Erdgeschoss, das Kranzgesims der Risalite und die Ädikulen. Alles in allem, war das Museum für seine Zeit hinsichtlich Konstruktion und Konzeption eines der fortschrittlichsten seiner Art.


Bilder

Quellen

  • Architektur im Kaiserreich: Braunschweig 1871-1918 / Arnold & Kotyrba
  • Architekturführer Braunschweig: Architektur 19.-21. Jahrhundert / Hrsg: BDA (bearb. Ulrich Hassels)
  • 100 Jahre Museumsstr. 1 – Ein Museum stellt sich aus / Braunschweig 1987 / Reinhold Wex
  • Braunschweig Architekturführer: Stadtentwicklung und Gebäudebeschreibungen / Ulrich H Mey und Christian Streibel
  • Website HAUM: http://www.3landesmuseen.de/Geschichte.366.0.html