Justizverwaltung

Aus Bauwissen

Justizverwaltung (Lilly)

Datei:15a40Münstr.17Zustand1886.jpg
Haupteingang des Justizgebäudes;1886
Städtebauliche Einordnung Duchbruch Friedrich-Wilhelm-Straße - Münzstraße
Bauaufgabe Justizverwaltung
Baujahr 1878-81
Epoche Historismus
Architekt Friedrich Lilly [1]


Bauherr Herzogtum Braunschweig
Beteiligte Firmen Zoeblitz, Th. Strümpell und Comp.
Nutzung Rechtsprechung, Justizverwaltung
Konstruktion Massivbau mit Hintermauerung und Natursteinverkleidung
Gebäudetyp Öffentlicher Justizbau
Baumaterial Natursteine als Verkleidung


Der Architekt Friedrich Lilly

Carl Friedrich August Lilly war ein Braunschweiger Architekt, Hofbaurat und Dozent für landwirtschaftliche Baukunst und Ingenieurhochbauten. Er wurde am 09.07.1835 in Seesen im Harz geboren und ist am 08.11.1906 in Braunschweig gestorben. Friedrich Lilly war der Sohn des Staatsanwaltes Wilhelm Lilly und Sophie Lilly, geb. Schmitz.


Baugeschichte

Nach intensiven Diskussionen im Verlauf der 1870er Jahre stand die Frage im Raum, ob es sich lohne für das kleine Herzogtum Braunschweig ein eigenes Oberlandesgericht zu bauen. Am 19.01.1878 beschloss die Landesversammlung jedoch den Bau eines neuen Justizgebäudes in der Münzstraße. In dieser Zeit einer regen Bautätigkeit erfolgte der Bau im Zuge des Durchbruchs Friedrich-Wilhelm-Straße/Münzstraße. Andere Großbauten hierbei waren die Erstellung der neuen Hauptpost, sowie der Feuerwehr. Beauftragt für einen Entwurf wurde der Architekt Friedrich Lilly. Im Herbst 1878 war mit der Fundierung schließlich Baubeginn für das neue Justizgebäude. Hierbei war die besondere Herausforderung, dass die Münzstraße seit jeher ein eher sumpfiges und von Wasseradern durchzogenes Gebiet war, was daraus resultiert, dass hier einmal ein Arm der Oker verlief. Bis zu einer Tiefe von neun Metern bestand der Boden lediglich aus feinem tonigem Flusssand. Tragfähig war der Baugrund also erst in tieferen, aus Kies bestehenden Schichten. Aus diesem Grund entschied man sich für eine Pfahlgründung. Auf der gesamten Gebäudegrundfläche von 2750 m² wurden 1760 Eichenpfähle eingebaut. Diese wurden zum größten Teil eingerammt. Nur in Bereichen mit sensibler Bebauung wurden sie mit Hilfe einer neuen Einspültechnik eingebracht. Zwar wurde auf diesem Wege das Problem der standfesten Gründung gelöst, jedoch brachte der sumpfige Untergrund noch weitere Probleme mit sich. In den Bereichen des nicht-unterkellerten Erdgeschosses trat immer wieder ein muffiger Geruch auf, der durch aufsteigende Sumpfgase verursacht wurde. Am 15.09.1881 wurde der repräsentative Neubau schließlich bezogen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts kündigte sich jedoch bereits eine Raumnot an, die einher mit dem allgemeinen Aufschwung und dem daraus resultierenden Aufgabenzuwachs ging. Daraus folgend beschäftige sich die Landesversammlung 1906 mit der Frage, wie der Raumnot zu begegnen sei. Da sich das Problem immer mehr zuspitzte, verließen die Staatsanwaltschaften im Jahr 1912 das Gebäude Münzstraße 17 und wurden im angekauften “Alten Stadthaus“ untergebracht. Zwar brachte der Erste Weltkrieg einen herben Rückschlag, dennoch entwickelte sich die Geschäfts- und Personalsituation nach dessen Ende so rasant, dass eine Erweiterung des Justizgebäudes unumgänglich wurde. Das an den Südflügel des Gerichtsgebäudes Münzstraße 17 grenzende Haus Nr. 16 wurde 1922 erworben und durch kleine Baumaßnahmen verkehrsmäßig mit dem Justizgebäude verbunden. Von nun an waren das Landgericht und das Oberlandesgericht in diesen Gebäuden untergebracht. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges und vor allem durch die schweren Bombenangriffe im Jahr 1944 durch die Alliierten wurde das Gebäude Münzstraße 16 vollständig zerstört und Haus Nr. 17 schwer beschädigt. Unmittelbar nach Ende des Krieges wurde das Justizgebäude Münzstraße 17 wieder errichtet. Der Wiederaufbau erfolgte mit den zu dieser Zeit zur Verfügung stehenden Mitteln in einer schlichten und einfachen Ausführung ohne jegliches Augenmerk auf eine besondere “Decorirung“ zu legen. Zu Beginn der 1960er Jahre kamen schnell eine erneute Raumnot und weitere Missstände in der Justizverwaltung auf. Die Situation wird vor allem durch einen Brief des Personalrats des Landgerichts an den Landgerichtspräsidenten gut verdeutlicht. „Betreff: Diensträume im Erdgeschoss Die vom Bund erlassenen Baustoppverordnungen für öffentliche Gebäude nimmt der Personalrat zum Anlass, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Diensträume im Erdgeschoss des Landgerichts nicht den Vorschriften der Bauverordnung der Stadt Braunschweig v. 29.05.1957 entsprechen und aus diesem Grunde für den dauernden Aufenthalt von Menschen ungeeignet, wenn nicht gesundheitsschädigend sind. In erster Linie sind die Lichtverhältnisse derart mangelhaft, dass selbst an hellen Tagen nicht auf Kunstlicht verzichtet werden kann. Die starke Belegung der Zimmer lässt es allenfalls zu, das die Schreibkräfte in der Nähe der Fenster arbeiten. Die Geschäftsstellenbeamten sitzen meistens mitten im Raum und bekommen an ihren Arbeitsplätzen kaum noch Tageslicht. Die in der oben genannten Verordnung geforderten Fensterflächen von 1/10 bis 1/8 der Bodenfläche, welche ohnehin als äußerste Grenze anzusehen sind, werden in den wenigsten Fällen erreicht. Von einer ausreichenden Belüftung kann in den zur verkehrsreichen Münzstraße gelegenen Räumen kaum eine Rede sein, da sich das Öffnen der Fenster des Verkehrlärmes und des eindringenden Staubes wegen verbietet. Bei geschlossenen Fenstern ist die Luft derart dumpf und lässt den Verdacht aufkommen, dass insbesondere in den Zimmern des Südflügels Sumpfgas auftritt, wie es bereits in Zimmer 7 nachgewiesen worden ist. Die gesamte Münzstraße steht über einem alten Okerlauf. Möglicherweise sind auch alle übrigen Zimmer, wenn auch nicht in so fühlbarem Maße, von diesem übel Stande betroffen. Die bei vielen Bediensteten des Landesgerichts häufig auftretenden Kopfschmerzen, Übelsein und eine rapide Verschlechterung des Sehvermögens sind zweifellos die Folgen der herrschenden Missverhältnisse, ein vorzeitiger Abbau der Gesundheit und der Arbeitskraft das Ergebnis. Im Hinblick auf den Neubau, der im kommenden Jahre beginnen sollte, wurden die obwaltenden Umstände bisher stillschweigend ertragen. Es ist jedoch mit der Fürsorgepflicht des Staates seinen Bediensteten gegenüber nicht im Einklang zu bringen, dass der Erweiterungsbau noch weiter hinaus geschoben wird und der menschenunwürdige und gesundheitsschädliche Zustand fortdauert. “ Vor diesem Hintergrund ist noch hinzuzufügen, dass beispielsweise auf 12 m² 3 Arbeitsplätze untergebracht waren, auf 18m² sogar 5. Am 15.03.1965 war der Erweiterungsbau bezugsfertig. Er liegt im rückwertigen, westlichen Bereich des Gebäudes Münzstraße 17. Hierbei handelt es sich um einen einschließlich Erdgeschoss fünfstöckigen Bau mit Flachdach. In dem zweckgebundenen Gebäude sind ausschließlich Büroräume untergebracht. Im Laufe der 70er und 80er Jahre wurde kein großes Augenmerk darauf gelegt, das ursprüngliche Gebäude Münzstraße 17 instand zu halten oder zu sanieren. So kam es, dass das Gebäude zunehmend verkam. Höhepunkt waren schriftliche Beschwerden von Gerichtsbesuchern, die sich über das Aussehen des Gebäudes beschwerten und bemängelten, dass das Erscheinungsbild nicht dem Zweck, nämlich der Rechtsprechung, entsprach. Nachdem der erste Versuch einer Generalsanierung 1992 scheiterte, glückte der Versuch 1994 und die Sanierung des gesamten Gebäude Münzstraße 17 begann. Eine Hürde hierbei war, dass der Geschäftsbetrieb während der Instandsetzung wie gewohnt weiter lief. Bis 2001 wurden so die Dacheindeckung, die Heizungs-, Lüftungs- und Elektroanlagen erneuert. Zudem wurde die Außenfassade aufwendig gereinigt. Die gesamte Sanierung wurde in fünf Abschnitte aufgeteilt, wobei die Arbeitsplätze des jeweils betroffenen Abschnittes in den übrigen untergebracht werden mussten. Da der Lärm und Staub über die Jahre eine gewaltige Belastung für die Mitarbeiter des Landgerichts darstellten, wurden beim vierten Abschnitt Bürocontainer als Ausweichmöglichkeit aufgestellt. Eine besondere Herausforderung stellte der fünfte und letzte Bauabschnitt dar. Hierbei wurden die Eingangshalle und der Schwurgerichtssaal aufwändig überarbeitet. Für die gesamte Sanierung wurden während der Bauzeit jährlich zwei Millionen DM aufgewendet. Durch veränderte Zuständigkeiten, eine sinkende Anzahl von Richtern und der Haushaltsnot des Landes ist eine erneute Raumnot und eine damit verbundene Erweiterung derzeit nicht in Sicht.




Erscheinungsbild

Die Justizverwaltung in Braunschweig wurde im Stile der italienischen Quaderrenaissance errichtet und verhalf der Stadt in einer Zeit des Baubooms zusammen mit der Errichtung der Herzoglichen Polizeidirektion und dem Polytechnikum (1877) zu neuem Glanz. Zur Münzstraße hin erstreckt sich das Gebäude über 90m. Von oben betrachtet erscheint der Bau wie ein großes E. Von der Münzstraße aus erstrecken sich ein Nord-, Mittel- und Südflügel. Die äußere Erscheinung des Gebäudes sollte repräsentativ für die Justiz sein. Genau dieser repräsentative Charakter setzt sich auch im Inneren fort. Beim Eintritt gelangt man in die großzügige Eingangshalle mit der neobarocken, reich verzierten Treppenanlage, die im Braunschweiger Stadtanzeiger vom 10.08.1881 als “Glanzpunkt des Gebäudes“ bezeichnet wird. Die Stufen der breiten Doppeltreppe sind aus Velpker Sandstein erstellt worden und die Handläufer mit dunklen Marmorplatten versehen. Auf den Treppensockeln erheben sich sieben- und vierarmige Armleuchter aus poliertem Kupfer. Die Decken wurden von der sächsischen Firma Zoeblitz aus schwarzem Serpentinstein gefertigt. Von Geschoss zu Geschoss steigert sich zudem der Ornamentik des Treppenhauses. Ebenso ändern sich auch die Säulenarten. Findet man im Erdgeschoss lediglich einfache dorische Säulen, so sind es im ersten Obergeschoss bereits jonische. In der obersten Etage werden diese dann durch mit Festons geschmückte, corinthische Säulen ersetzt. Desweiteren ist in diesem Stockwerk die reich verzierte Stuckdecke durch ein aus fünfzehn Kassetten gebildetem Oberlicht durchbrochen. Die Fußböden und die Treppenpodeste sind aus Terrazo und wurden von italienischen Arbeitern angelegt. Sämtliche Stuckarbeiten wurden von der Firma Th. Strümpell und Comp. ausgeführt.


Fassade

Gemeinsam mit dem Gebäude des Polizeipräsidiums prägt das Landgericht den Nordabschnitt der Münzstraße, wobei letzteres das größere und monumentalere der beiden ist und sich auf der Westseite der Straße befindet. Es handelt sich um ein dreigeschossiges Gebäude in den Formen der italienischen Hochrenaissance. Zur Münzstraße hin erstrecken sich insgesamt 19 Fensterachsen mit zwei zweiachsigen Eckrisaliten. Den Mittelpunkt der Hauptfront bildet der drei Achsen breite Mittelrisalit. Die Nordfassade am Domplatz wird aus neun Fensterachsen mit zwei Eckrisaliten gebildet, die der Straßenfassade angepasst sind. Die Hauptfassade an der Ostseite erinnert an ein klassisches Grundschema und zeigt Merkmale der Palastarchitektur des Barock. Hierdurch soll speziell der Charakter des Gerichts repräsentiert werden. Deutlich erkennbar von außen ist die klare Teilung der Fassade in eine zweigeschossige Sockelzone und ein hoch aufstrebendes Hauptstockwerk. Diese Teilung, die durch unterschiedliche Steinfarben zusätzlich betont wird, erfolgt durch waagerecht verlaufende Gesimse. Das Sockelgeschoss besteht aus Rustikamauerwerk und Rechtechtfenstern. Am Mittelrisalit bildet ein über beide Sockelgeschosse ragender Rundbogen mit vorstehenden Bogenquadern und Schlussstein das Hauptportal, das zusätzlich von toskanischen Säulen flankiert wird und am oberen Ende in einem halbrunden Oberlichtfenster seinen Abschluss findet. Im Gegensatz zum Sockelgeschoss reihen sich im oberen Hauptstockwerk Fenster mit Rundbögen. Diese werden durch Postamente mit Balustraden, Säulen und einem Dreiecksgiebel eingerahmt. Über dem Hauptportal wird das Hauptgeschoss außerdem durch doppelte Eckpilaster und zwei korinthischen Freisäulen hervorgehoben. Die zurückliegende Fassade wird in diesem Bereich durch hohe Fensteröffnungen mit Oberlichtern in Form von Rundbögen gebildet. Ein ähnliches, zweischichtiges Fassadensystem kann man am Braunschweiger Residenzschloss finden. Dieses Motiv erlangte besondere Berühmtheit durch die barocke Ostfassade des Louvres in Paris. Den oberen Abschluss des Gebäudes bilden zunächst Friese, die dann in einem Kranzgesims abschließen. In den Friesen sind Attribute der Rechtsprechung zu finden. Über den Eck- und dem Mittelrisalit befinden sich dazu noch Balustraden.


Nutzung

Durch das Treppenhaus gelangt man in Registraturen der Zivil- und Strafkammer, zur Kasse, den Gerichtsschreibereien und zu den Zimmern der Anwälte. Am Schwurgerichtssaal sind zahlreiche Versammlungs- und Beratungszimmer für Zeugen, Richter, die Staatsanwaltschaft oder Geschworene zu finden. Die weiteren Stockwerke sind so aufgeteilt, dass das Landgericht im ersten und das Oberlandesgericht im zweiten Obergeschoss untergebracht sind. Grundsätzlich ist jedoch zu erwähnen, dass die meisten Richter und Staatsanwälte von zu Hause aus arbeiten und lediglich für Beratungen und Sitzungen zum Justizgebäude kommen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden außerdem Teile der Räumlichkeiten als Wohnungen für Unterbeamte und für andere Angestellte, wie beispielsweise dem Heizer genutzt.

Bilder




Quellen