Polizeipräsidium

Aus Bauwissen


Polizeipräsidium

Datei:Foto 1 Gesamtansicht Münzstraße.JPG
Fassade, 2019
Standort N 52°15'48.353" E 10°31'28.147"

Münzstraße 1, 38100 Braunschweig[1]

Städtebauliche Einordnung Stadtkern entstanden im Rahmen des Durchbruchs Damm - Münzstraße
Baujahr 1879-80
Epoche Historismus, Neorenaissance
Architekt Gustav Bohnsack
Ingenieur -
Bauherr Herzogtum Braunschweig
Beteiligte Firmen -
Nutzung Polizeipräsidium
Konstruktion Massivbau
Gebäudetyp Verwaltungsbau
Baumaterial Klinker, Sandstein, Dolomit
Oberflächen Rustika (Erdgeschossfasade)

Baubeschreibung

Außenbau

Das Gebäude des Polizeipräsidiums fügt sich gut ins monumentale Bild des im späten 19. Jahrhundert umgestalteten Stadtkerns. Im unmittelbaren Umfeld befinden sich das Gebäude der Justizverwaltung (erbaut 1878-81), das Rathaus (erbaut 1894-1900) und das Regierungsgebäude (erbaut 1908-13).

Der zweiflüglige Gebäudekomplex besitzt 3 Stockwerke und einen Keller. Auf einem Sockel aus Dolomit steht das mit Sandsteinrustika (auch Bossenwerk genannt) verkleidete Erdgeschoss. In die Rustika wurden im oberen Bereich einzelne Zierelemente eingelassen. Sie zeigen Fasces, Rutenbündel in das ein Beil gesteckt wurde und „sind seit der Antike ein Zeichen staatlicher Machtausübung“. Rundbogenfenster und ein Rundbogenportal prägen das Erscheinungsbild dieser Etage. „Das Portal zeigt eine vorspringende Bogenarkade mit toskanischen Säulen. Diese tragen einen Altan (Balkon), dessen Balustrade seitlich mit wappenhaltenden Löwenfiguren besetzt ist.“ Der imposante Eingang teilt das 67,20m lange Gebäude vertikal in 2 Abschnitte. Beide werden durch einen Eckrisaliten gesäumt. Ein Gesims schließt das Erdgeschoss nach oben hin ab.

In starkem Kontrast zum gelben Sandstein ist das erste Obergeschoss, das piano nobile, mit rotem Ziegelmauerwerk verkleidet. Rechteckige Fenster mit stark verziertem Sandsteinrahmen und Dreiecksgiebeln, sogenannte Ädikulafenster, zieren diese Etage. Sowohl das Erd- wie auch das 1. Obergeschoss sind 4,60m hoch.

Es folgt ein mit Sgrafitto-Technik verziertes Mezzaningeschoss mit Kranzgesims und darüber ein schwach geneigtes Dach. Auch dort sind vereinzelt Fasces zu sehen. Hier befand sich im Ursprungszustand eine als Balustrade gestaltete Attika. Große Teile davon wurden nachträglich entfernt, sie blieb lediglich am südlichen Eckrisaliten erhalten. Die Gebäuderückseite wurde deutlich weniger prunkvoll gestaltet.

Innen (Grundriss)

Über 2 kurze Treppen und einen Vorraum, vorbei an einem schmiedeeisernem Tor, führt das Frontportal in eine runde Empfangshalle. „Eine bauliche Besonderheit ist das als Rotunde ausgebildete Vestibül“. Die mit einfachem Stuckrahmen verzierte Hallendecke unterstreicht den kreisförmigen Raumcharakter. Von dieser aus führen drei Flure jeweils nach links, rechts und geradeaus in die einzelnen Gebäudeflügel. Im südlichen Eckrisaliten sind 2 große Räume untergebracht, im nördlichen einer. An den nach Norden und Süden führenden Korridoren befinden sich kleine Büros mit Fenstern zur Münzstraße. Treppenhäuser befinden sich im östlichen Korridor und im nördlichen Eckrisaliten sich je ein Treppenhaus. Ein historischer Grundrissplan ist im "Architekturführer Braunschweig" von Ulrich Hassels abgebildet.

Bau- und Nutzungsgeschichte

Datei:Polizeidirektion Braunschweig Münzstrasse 1880.jpg
Fassade, 1880

Den Planungsauftrag erteilte das Herzogtum Braunschweig dem Baumeister Gustav Bohnsack (*9 Mai 1843 in Seesen; † 16. März 1925 in Braunschweig). Auf dem 4552m2 großen Grundstück des Polizeipräsidiums stand zuvor das Bevernsche Schloss. Der Fachwerkbau wurde 1709 als Dompropstei errichtet und musste abgebrochen werden bevor mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Im Februar 1879 folgten umfangreiche Gründungsarbeiten. 800 Eichenpfähle (Länge: 6m) wurden in den Boden gerammt. Verantwortlich für das schlechte Tragverhalten des Baugrundes waren zwei ehemalige, inzwischen zugeschüttete Okerarme. Sie hatten das Grundstück des Bevernschen Schlosses zu einer Insel (genannt „Jägerhof“) gemacht. Der Beginn der Maurerarbeiten folgte im Mai 1879, das Richtfest im Dezember 1879.

„Der Dienstbetrieb wurde offiziell am 6. Dezember 1880 im Gebäude Münzstraße aufgenommen. Die Sgraffito-Arbeiten konnten erst bei günstigerer Witterung im nächsten Jahr ausgeführt werden. Die Wohnung des Polizeidirektors wurde am 1. März 1881 bezogen.“

Die als Dienstwohnungen konzipierten beiden oberen Stockwerke wurden aus Platzmangel jedoch rasch zu Büroflächen des Präsidiums umgewandelt. Eine denkmalgerechte Restaurierung der Fassade erfolgte 1985 aufgrund der Niedersächsischen Landesausstellung die in diesem Jahr in Braunschweig stattfand.


Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Gründe für den Bau

Das Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1871 und die damit verbundene Entstehung des Deutschen Kaiserreiches führten in Braunschweig zu vielfältigen Veränderungen. Ökonomischer Aufschwung und rapides Bevölkerungswachstum machten eine neue Wasserver- und entsorgung notwendig. Dies resultierte in der Zuschüttung zahlreicher Okerarme. Eine unterirdische Kanalisation wurde angelegt. Um dem steigenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden wurden neue Straßen angelegt. Eine von ihnen, die Münzstraße, entstand 1876 und verbindet den Domplatz mit dem Damm. Die Erweiterung bis zur Friedrich-Wilhelm-Straße entstand erst 1882. „An den neuen Straßen entstanden repräsentative Bauten , so etwa 1878/81 […] das Gebäude der Oberpostdirektion. Am Südende der Münzstraße das Feuerwehrgebäude, 1881 das Justizgebäude und bereits 1879/1880 das Gebäude der Polizeidirektion."

Epoche des Historismus

Der Präsidiumsbau und die Gebäude der näheren Umgebung (Justizverwaltung, Rathaus, Regierungsgebäude) entstanden alle unter dem Einfluss des Historismus. Der Historismus selbst lässt sich in mehrere Strömungen gliedern, wobei das Präsidium der Neorenaissance zuzuordnen ist. Das stilgebende Merkmal der Neorenaissance ist die grundsätzliche Orientierung an Bauwerken der Römischen Antike und der Renaissance. Diese Orientierung wird bei Betrachtung repräsentativer Bauten aus dieser Zeit sichtbar. Der direkte Vergleich erleichtert es Merkmale zu erkennen, die der Präsidiumsbau mit vielen Renaissancebauten teilt: Rechtwinkliger Grundriss, vertikal symmetrische Fassade, Rustikaverkleidung im Erdgeschoss, piano nobile, Mezzaningeschoss, Dreiecksgibel der Fenster und ein flach geneigtes Dach mit Kranzgesims darunter.

Bilder

Quellen

  • Arnhold, Elmar: „Architektur im Kaiserreich. Braunschweig 1871-1918“, Arnhold&Kotybra Architekturführer, 2003
  • Dowidat, Volker: „Polizei im Rückspiegel. Die Geschichte der Polizeidirektion Braunschweig.“, Döring Druck, Braunschweig 2003
  • Hassels, Ulrich et al.: „Architekturführer Braunschweig: Architektur 19.-21. Jahrhundert“, Appelhans Verlag, Braunschweig 2001