Rathaus
Das Neue Braunschweiger Rathaus
Standort | 52°15'52"N 10°31'31"E
52.264443, 10.525281 [1] |
Städtebauliche Einordnung | Regierungsgebäude |
Bauaufgabe | Verwaltungs- und Regierungsgebäude |
Baujahr | 1894 - 1900 |
Epoche | Historismus |
Architekt | Ludwig Winter [2] |
Ingenieur | Ludwig Winter [3] |
Bauherr | Die Stadt Braunschweig |
Nutzung | Verwaltungs- und Regierungsgebäude |
Konstruktion | Quaderbau mit drei Geschossen auf Souterraingeschoss |
Gebäudetyp | Regierungsgebäude |
Baumaterial | Kunstsandstein, Naturstein, Beton, Stahl, Glas, Holz |
Oberflächen | Kunstsandstein, Naturstein, Glas |
Baubeschreibung
Das Rathaus, welches aus einem 3-stöckigen Quaderbau mit Souterrainergeschoss besteht, wurde aus Elementen der Gotik und Neugotik errichtet.
Eine Besonderheit des Rathauses ist, dass der Stein der Fassade ein Kunststein (in diesem Fall ein Kunstsandstein) und kein Naturstein ist. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde Kunststein immer mehr zum Ersatz des Natursteins. Die Steine wurden künstlich angefertigt und von Steinmetzen so bearbeitet, dass diese täuschend echt aussehen.
Die Hauptfassade mit einem repräsentativen Eingangsbereich wir durch zwei oktogonale Türme begrenzt. Die anderen Seiten sind im Bezug auf die architektonischen Elemente deutlich untergeordnet. Vor dem Zweiten Weltkrieg besaß der Eingangsbereich einen Treppengiebel. Dieser stürzte nach schwerer Beschädigung ein und wurde schließlich abgetragen. Über den drei vorgezogenen Eingangsportalen liegt der zwei Geschosse übergreifende Sitzungssaal. Dieser Saal kennzeichnet sich durch hohe Spitzbogenfenster. Der anliegende Balkon wurde für Bekanntmachungen und Ansprachen genutzt. Durch die im Erdgeschoss gestuften Strebepfeiler und der seitlich der Saalfenster angeordneten Pfeilerfiguren unter gotischen Baldachinen wird dieses Fassadenelement besonders hervorgehoben. Den Hauptakzent des Rathauses bildet jedoch der Turm, welcher in der Süd-West-Ecke des Verwaltungsgebäudes steht. Dieser ist zusätzlich ein markanter Bestandteil der Stadtsilhouette.
Die Doppelsäulen in der Vorhalle und in den hallenartig erweiternden Fluren sind seinem damaligen Chef Friedrich von Schmidt nachempfunden. Desweiteren orientierte er sich auch bei den Konsolen mit Engelsgestalten an der Decke des Sitzungssaales an seinem ehemaligen Vorgesetzten. Bei seitlicher Erschließung der in Längsrichtung aufgestellten Doppelsäulenreihe erinnert an den Rittersaal der benachbarten Burg.
Die Möbel entwarf Ludwig Winter selbst. "Sämtliche Räume wurden im Sinne eines Gesamtkunstwerkes neugotisch ausgestattet, und zwar in der akademischen, an sakraler Hochgotik orientierter Art, wie sie nach 1900 bei Profanbauten allmählich "unmodern" wurde. Als Gesamtkomposition mit der Burg Dankwarderode im "stilreichen" Historismus wirkte Winters Gestaltungskonzept aber überzeugend" (vgl. Quelle 1)
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Westansicht
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Eingangsportal an der Südseite
Rathausturm
An der Südwestecke des Rathauses befindet sich der 61 Meter hohe fünfspitzige Rathausturm mit umlaufender säulengestützter Aussichtsgalerie. Nach der Fertigstellung lag das Dienstzimmer des Oberbürgermeisters in den unter Stockwerken. Dieser Bereich wurde durch auf zwei Seiten hervorkragende maßwerkgeschmückte Erker hervorgehoben. Durch seine Positionierung ist er weithin sichtbar: Es entstanden Sichtachsen vom Burgplatz zum Rathausturm, aber auch von der Münzstraße und vom Hagenmarkt (über die Casparistraße), in dessen Flucht er liegt. Auch vom Schlossplatz aus ist er zu sehen.
Türgriffe
Ein besonderes gestalterisches Merkmal sind die Türgriffe des Hauptportals. Diese speziell angefertigten Bronzegriffe stellen Szenen und Personen die mit Braunschweig und seiner Geschichte in Verbindung stehen dar. Jeder der sechs Griffe ist ein Unikat. Dargestellt wird Till Eulenspiegel mit seinen Affen und Eulen, die Braunschweiger Originale die Hafen-Agnes und der Reche-August mit dem Gewandhaus im Hintergrund. Die weiteren vier zeigen Carl Friedrich Gauß, die Braunschweiger Mumme, die Braunschweiger Fotoindustrie und den Braunschweiger Löwen.
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Rathausturm
Bau- und Nutzungsgeschichte
Im Jahre 1880 entwarfen der Stadtbaurat Ludwig Winter und Constantin Ude im Auftrag des damaligen Oberbürgermeisters die erste Vision eines neuen neugotischen Rathauses. Diese Zeichnungen kamen dem fertiggestellten Bau im Punkte Lage Maßstäblichkeit und Fassadengliederung bereits sehr ähnlich.
Anfänglich stand die Idee eines neuen Rathauses in der Kritik, da es zu prachtvoll und zu groß sei. Jedoch wandelte sich die Sichtweise der Bevölkerung im Laufe der Planung, weil das alte Rathaus zu wenig Platz bietet. So sprach sich der Magistrat dafür das: "Was die Bauart und die Lage des Bauplatz anlagt, so spricht sich der Magistrat, daß das neue Stadthaus, wenn auch nicht als monumentaler Prachtbau, so doch im Style eines architektonisch hervorragendes Gebäude an einer Hauptstraße, thunlichst im Mittelpunkt der Stadt, errichtet werde." (vgl. Quelle 2)
Obwohl 1890 Winter bereits in ein Projekt eingespannt war, sprach sich der Magistrat dafür aus diesen auch mit dem Bauprojekt zu betrauen. "Die Zweckmäßigkeit des Gebäudes verlangte Vertrautheit mit den lokalen Verhältnissen, wofür "wohl an erster Stelle der Stadtbaurath Winter Gewähr bieten dürfte." (vgl. Quelle 3) Bis zur Eröffnung des Südflügels vom Rathaus am 27. Dezember 1900 beschäftigte sich der Stadtbaurat mit 2 Bauprojekten parallel. Eines davon war die Rekonstruktion der Burg Dankwarderode und die geänderte Straßenführung, das andere Projekt der Rathausneubau.
Zunächst standen mehrere Grundstücke um den Dom in der Diskussuion. 1890 entschied sich die Stadt für die Lage des neuen Rathauses und erwarb die entsprechenden Grundstücke von der Herzoglichen Hof-Intendantur und von Privaten. Es befindet sich im Braunschweiger Regierungsviertel direkt gegenüber dem Braunschweiger Dom am Langen Hof (heute Platz der Deutschen Einheit) und grenzt ebenfalls an die Münzstraße, den Domplatz (damals Wilhelmsplatz), die Dankwardstraße und den Bohlweg. Die alten Gebäude, welche zum Teil noch feudale Funktionen hatten wurden zugunsten von Institutionen des Landes aufgegeben.
Im folgenden Jahr wurde Winter auf eine Studienreise ins Ausland geschickt, um sich an bedeutenden Bauwerken zu inspirieren. "So erinnert die Grundrißlösung des Braunschweiger Rathauses mit den innen liegenden Fluren und Treppentürmen an das Rathaus in Manchester (1868); die Eingangssituation ähnelt sehr der des dortigen Gerichtsgebäudes (1865), (...)." (vgl. Quelle 4) Außerdem beschloss er, dass der Rathausturm, welchen er zuerst noch aus architektonischen Gründen in Frage gestellt hatte, von der Kommission aber gewünscht wurde, in das Bauwerk mit einzubinden und "zur Vermeidung von Verkehrsstörung in die Bauflucht Münzstraße / Langer Hof" zu ziehen.(vgl. Quelle 5) Außerdem sollen die Außenmauern in Hausstein und nicht in Backstein gebaut werden.
So wurde von den Stadtverordneten in Folge der langwieriger Planungsarbeit am 3. Mai 1892 der Auftrag zu Fertigstellung des Entwurfes gegeben. Daraufhin stelle Ludwig Winter am 13. Juni 1892 einen weiteren Entwurf mit großen Abweichungen und erläuterte sie. Sein endgültiger Entwurf gab er jedoch erst nach seiner Englandreise am 6. Januar 1893 mit Erläuterungsbericht ab. Der am 2. März genehmigte Ortsplan verdeutlich zudem die Änderungen im Stadtbild.
Obwohl die Fertigstellung bereits in Auftrag gegeben wurde, überlegte man 1893 / 1894, den Turm aus Kostengründen wegzulassen, da sich diese zu diesem Zeitpunkt fast schon verdoppelt hatten. Der Oberbürgermeister hielt jedoch daran fest. Anfang 1894 waren die Fundamente bereits ausgeführt und es wurde nicht mehr vom Plan / Entwurf abgewichen. Der Turm liegt nun in einer gedachten geraden Linie mit Löwenstandbild am Burgplatz und der durch die damaligen Kuppel und einer Quadriga bezeichneten Mitte des Residenzschlosses. Außerdem sollte das überragende Bauwerk ein Symbol für den Aufstieg und der politischen Geltung der Kommune im Stadtwesen darstellen. Im Jahre 1895 zeigte man die Pläne der Außenfassade der Öffentlichkeit.
Der Bau kam im Jahr 1897 seiner Fertigstellung entgegen. Dabei wurde am 25. März 1898 eine Urkunde im Turm verschlossen, welche die Probleme aus Sicht der Stadt bei der Errichtung wiedergibt. Am 27. Dezember 1900 wurde der Neubau mit der Eröffnung des Sitzungssaales eingeweiht. Zu dem Anlass enthüllt man eine Ehrentafel für Ludwig Winter. Die Kosten beliefen sich auf 2,5 Millionen Mark. Auf einen repräsentativen Festsaal wurde verzichtet, da man dafür damals wie heute auf den Saal des Altstadtrathauses zurückgriff. Neben der nach Süden ausgerichteten Hauptfassade des Gebäudes wurden auch die Innenräume im gotischen Stil gestaltet und neugotisch ausgestattet. Die Figuren, die die Bereiche Wissenschaft, Kunst, Handwerk und Handel darstellen, wurden jedoch nachträglich ergänzt, da zunächst das Geld dafür fehlte.
Bereits 1918 wurde ein Anbau notwendig, welcher von Max Osterloh geplant wurde. Man ärgerte sich, dass man nicht sofort die große Lösung bis zum Bohlweg gebaut hatte. Jedoch dachte man zu Anfang für Jahrhunderte gebaut zu haben. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude im Gegensatz zu seiner zu 90 Prozent zerstörten Innenstadtumgebung vergleichsweise gering beschädigt. Bald nach Kriegsende konnte es weiter benutzt werden. Kurz darauf wurde das Dachgeschoss zu Diensträumen ausgebaut. Am 13. Juni 1968 folgte der Baubeginn für einen modernen Erweiterungsbau des Rathauses am Bohlweg. Dabei wurde kein Bezug auf das alte Gebäude genommen. Das Richtfest fand am 20. November 1969 statt und am 8. März 1971 wurde der Neubau offiziell eingeweiht. Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich Banken und Einzelhandelsgeschäfte.
"Im Februar 2009 gab die Stadtverwaltung bekannt, dass der Neubau ab 2010 im Rahmen einer fälligen Sanierung aufwändig umgestaltet werden sollte. Es war geplant, bis zu fünf Stockwerke abzureißen, die verbliebenen Teile sollten eine neue Fassade bekommen. Der Auftrag für den Umbau war schon erteilt, an das Braunschweiger Architekturbüro Giesler. Im Oktober 2009 gab Oberbürgermeister Hoffmann jedoch das Aus für den Umbau bekannt. Als Gründe wurden zu erwartende Steuerausfälle der Stadt genannt, vor allem aber eine Rechtsunsicherheit, die mit der Geschäftszeile im Erdgeschoss zusammenhing. Die Stadt musste zu hohe Entschädigungszahlungen für die Zeit des Umbaus fürchten. Der Sanierungsbedarf des Rathaus-Neubaus besteht allerdings fort." (vgl. Quelle 6)
Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren
Winter erfüllte mit dem neuen Rathaus fast alle in einem Entwurfslehrbuch von 1884 Standards. "Gerade Braunschweig besaß mit seinen alten Rathäusern z.T. einzigartige Beispiele dieser Baugattung; sie dienen´nicht als Vorbild. Wie bei fast allen Neubauten in größeren Städten erreichten die neuen Rathäuser des späten 19. Jahrhunderts eine Monumentalität und Konzentration architektonischer Bauelemente, wie sie mittelalterliche Rathäuser als Einzelwerk fast nie zeigten. In der optimierenden Zusammenfügung und Neuschöpfung nach älteren Mustern, bei hoher technischer Qualität und Perfektion der planerischen Lösungen, zeigt sich ein typisches Charakteristikum der Architektur des 19. Jahrhunderts, das letzenendlich auch hier und gerade im Historismus fortschrittsorientiert ist." (vgl. Quelle 7)
Bilder
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Westansicht
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Rathausturm
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Türgriffe des Neuen Rathaus
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Eingangsportal an der Südseite
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Das Neue Braunschweiger Rathaus, Südansicht
Quellen
1. Ludwig Winter : (22.1.1843 - 6.5.1930) ; Stadtbaurat und Architekt des Historismus in Braunschweig ; Katalog zur Ausstellung anlässlich des 150. Geburtstages im Braunschweiger Rathaus vom 12. Oktober bis 12. November 1993; Stadtbibliothek Braunschweig. Veranst.: Stadt Braunschweig; Bearb.: Monika Lemke-Kokkelink, S. 56
2. Schreiben vom 16.4.1885, in Verh. d. Stadtverordneten zu Braunschweig im Jahre 1885, o. O., o. J., S. 56. Zum Rathausentwurf von 1880 vgl. Deutsche Bauzeitung, 14.1880, S. 197
3. Sitzung der Stadtverordneten, 28.11.1890, in Verh. d. Stadtverordneten zu Braunschweig im Jahre 1890, o. O., o.J., S. 277 f.
4. Ludwig Winter : (22.1.1843 - 6.5.1930) ; Stadtbaurat und Architekt des Historismus in Braunschweig ; Katalog zur Ausstellung anlässlich des 150. Geburtstages im Braunschweiger Rathaus vom 12. Oktober bis 12. November 1993; Stadtbibliothek Braunschweig. Veranst.: Stadt Braunschweig; Bearb.: Monika Lemke-Kokkelink, S. 55
5. Zur Zierde der Stadt , Die Baugeschichte des Braunschweiger Burgplatzes seit 1750 Uwe Beitz, s135 z.18.ff
6. Braunschweiger Zeitung, 11. Oktober 2009: "Der Rathausbau bleibt, wie er ist"
7. H. Hammer-Schenk, 1985, Burg und Burgbereich. Ein neues Stadtzentrum für Braunschweig, Alte Stadt – Moderne Zeiten, eine Fotodokumentation zum 19. und 20. Jahrhundert, S. 43
- Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5.
- Jürgen Hodemacher: Braunschweigs Straßen – ihre Namen und ihre Geschichten, Band 1: Innenstadt, Cremlinge
- http://www.braunschweig.de/tourismus/ueber-braunschweig/sehenswuerdigkeiten/_rathaus.html
- http://de.wikipedia.org/wiki/Braunschweiger_Rathaus
- http://de.wikipedia.org/wiki/Kunststein#Geschichte