Schloss Richmond

Aus Bauwissen

Schloss Richmond

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Frontansicht:Schloss Richmond
Standort 52° 14′ 24″ N, 10° 31′ 36″ O
Städtebauliche Einordnung Zeitweiliger Wohnort der Braunschweiger Herzöge am Stadtrand
Bauaufgabe Wohnbau und Repräsentationsbau für Herzogin Augusta
Baujahr 1768-1769
Epoche Spätbarock im Übergang zum Frühklassizismus
Architekt Carl Christoph Fleischer
Bauherr Herzogin Augusta und Herzog Carl Wilhelm Ferdinand
Nutzung Sommerschloss
Konstruktion Massivbau aus Kalkwerkstein mit Flachdach
Gebäudetyp Sommerschloss
Baumaterial Quaderwerk

Baubeschreibung

Das Schloss Richmond befindet sich mit seiner weit ausgedehnten Parkanlage an der Wolfenbütteler Straße im Süden Braunschweigs. Das Grundstück, damals als „Zuckerberg“ bekannt, befand sich zur Bauzeit außerhalb des Verteidigungsrings der Stadt und bat den Vorzug einer erhöhten Lage.

Das Schloss weist einen quadratischen Grundriss auf. Die Spitze mit dem Haupteingang zeigt zur Straße hin. Das Schloss ist an den Seiten auf die Breite einer Tür abgerundet und an der vorderen sowie hinteren Ecksituation durch kreisrunde Baukörper hervorgehoben. Bemerkenswert ist die nahezu vollständige Symmetrie des Grundrisses. Das Schloss erstreckt sich über zwei Stockwerke. Die Beletage zu Repräsentationszwecken mit hohen Decken und das obere Stockwerk, die Privaträume des Herzogpaares, im Sinne der Gemütlichkeit mit einer regulären Deckenhöhe. Von außen wird man über eine Freitreppe empfangen, die den circa 1,5 Meter hohen Sockel überwindet, auf dem das Schloss steht. Der Eingang besteht aus einer Flügeltür, welche sich wie das dahinter liegende kreisrunde Entree über beide Geschosse erstreckt. Das Portal ist von Pilastern im ionischen Stil gesäumt, die sich auch über die restliche Fassade erstrecken. Die Pilaster sind auf der Fassade aufgebracht und übernehmen somit keine tragende Funktion. Im Übergang zu den Seiten zeigt sich wieder der eigentlich zweigeschossige Aufbau des Schlosses. Die Seiten bestehen aus jeweils drei Fensterachsen. Die Fenster im Erdgeschoss sind etwas höher und mit Giebelverdachungen verziert, während die Fenster im Obergeschoss quadratisch und relativ schlicht gehalten sind. Aus der Fassade ist der Übergang von dem zur Bauzeit endenden Barock und dem beginnenden Klassizismus ersichtlich. Man verzichtet weitgehend auf prunkvolle Ausschmückungen und die für den Barock typische geschwungene Form. Auch das sich über den Kapitellen befindliche Architrav mit glattem Fries ist betont schlicht gehalten. Darüber erstreckt sich scharfkantig das Gesims und etwas versetzt dahinter die Attika, welche das Flachdach sichert. Durch die Symmetrie zeigt sich vorne zur Straße sowie hinten zum Park ein nahezu identisches Bild. Zur Zeit der Erbauung waren keinerlei Nebengebäude geplant, sodass das Herzogpaar selber, ihre Gäste aber auch die Bediensteten diesen Eingang nutzten. Die Wände sind schlicht gehalten und einfarbig gestrichen. An der Decke befinden sich zwei Zierleisten in den Farben der herzoglichen Häuser, die die aufwändig bemalte Decke abgrenzen. Dieser nahezu erzwungene Blick nach oben weist jegliche Besucher auf ihren Rang, weit unter dem des Herzogpaares, hin. Außerdem zeigt der Blick nach Oben einen gusseisernen Balkon, der im Obergeschoss die Räume verbindet. Dieser ist mit einem goldenen „A“ verziert; ein Motiv, das sich an vielen Orten wiederfindet und der Hausherrin gewidmet ist. Unter dem Balkon befinden sich, sehr unauffällig gestaltet, die Türen zum Obergeschoss und zum Keller. Dazwischen sind die Flügeltüren zum Speisesaal. Dieser erstreckt sich ebenfalls über zwei Stockwerke und bildet mit seiner Länge von fast 14 Metern den Mittelpunkt des Schlosses. Der Saal ist in Kontrast zum Entree reich verziert und auch die Pilaster, welche man bereits von der Fassade kennt, sind hier wiederzufinden. Diese sind hier Gold gestrichen und auch die Wände sind mit aufwändigen Motiven bemalt. Über den Kapitellen der Pilaster befindet sich eine Galerie, welche unter anderem für Musiker eingerichtet wurde. Der Saal war zum Empfang von Gästen gedacht und sollte diese beeindrucken. Da man sich hier in der Mitte des Gebäudes befindet, stellte sich bei der Planung die Herausforderung der Beleuchtung des Saals, an der Fleischer scheiterte. Erst im Jahr 1785 wurde durch den Architekten Christian Gottlob Langwagen eine Laterne eingebaut, die auch heute noch für die Beleuchtung sorgt. Hinter dem Speisesaal befindet sich der kreisrunde Gartensaal mit Ausblick auf die Parkanlage. Dieser ist ebenfalls zweigeschossig und verbindet, ähnlich wie der Balkon im Entree es für das Obergeschoss tut, die Räume zu beiden Seiten des Speisesaals. Die Räume sind durch mit Spiegeln bedeckte Türen zu erreichen. Die linke Tür führt zu den Räumen des Herzogs und die rechte Tür zu den Räumen der Herzogin. Es handelt sich hierbei um kleinere Räume, zum Empfang von Gästen gedacht. Das Obergeschoss ist ähnlich aufgeteilt wie das Erdgeschoss.


Nebengebäude

Weitere zu Schloss gehörige Bauten sind die Kavaliershäuser und die Toreinfahrt. Die Toreinfahrt wurde von Karl Wilhelm von Gebhardi geplant, der als Jurist eigentlich mit der Aufgabe der Bauaufsicht betraut war. Das gusseiserne Tor, verziert mit dem stets wiederkehrenden goldenen „A“, wird durch ionische Pfeiler gehalten, auf denen sich Steinvasen zur Dekoration befinden.

Die Kavaliershäuser hingegen waren Aufgabe des Hofbaumeisters Langwagen. Sie wurden erst 1783 erbaut, da sie von Fleischer in seiner Planung nicht berücksichtigt worden waren. Ihre Notwendigkeit wurde aber durch die Nutzung des Schlosses offensichtlich. Langwagen entschied sich für eingeschossige Fachwerkbauten mit Mansardendächern. Diese befinden sich links und rechts von der Toreinfahrt an der Straße. Das linke Haus wurde als Stall und Wagen-Remise gebaut und fungierte auch als Unterkunft für die Bediensteten. Das rechte Haus diente als Küche.


Parkanlage

Die circa 60 Hektar große Parkanlage wurde auf Wunsch der Herzogin ein englischer Landschaftspark und ursprünglich von dem Hofgärtner Götze betreut. Da es sich um einen recht sandigen Boden handelte, dauerte die Fertigstellung der Parkanlage weitaus länger als die des Schlosses. Der Garten führt an der Oker vorbei. Während die Fläche direkt hinter dem Schloss weitestgehend freigehalten wurde um den Ausblick nicht zu verdecken, so pflanzte man seitlich zahlreihe Bäume, um sich der Natur wieder anzunähern. Im Gegensatz zum Schloss war die Parkanlage bereits im 19. Jahrhundert der Öffentlichkeit zugänglich.

Nutzungsgeschicht

Schloss Richmond wurde ursprünglich für Herzogin Augusta erbaut. Als Tochter des britischen Königs war sie den ungezwungeneren Umgang gewohnt, der dort herrschte und konnte sich nicht recht mit den steifen Umgangsformen des Braunschweiger Hofs anfreunden. Als geselliger Mensch und regelmäßige Gastgeberin wünschte sie sich ein eigenes Schloss nach englischem Vorbild. Dies würde ausschließlich aus ihren eigenen Mitteln finanziert. Richmond war nicht etwa als Residenzschloss geplant, sondern als Sommerschloss um eine Erholungsmöglichkeit vom Hof zu bieten. Obwohl Herzogin Augusta und Herzog Carl Wilhelm Ferdinand das Schloss regelmäßig zum Empfang von Gästen nutzten standen Repräsentationszwecke bei dem Bau nicht im Vordergrund, sondern Komfort und Gemütlichkeit.

Als Augusta im Jahr 1806 vor der französischen Besatzung floh und mit dem Tod Carl Wilhelm Ferdinands ging das Schloss an den Herzog Karl II auch „Diamantenherzog“ genannt über. Dieser nutzte es nur selten bis er 1830 mit der Revolution aus Braunschweig vertrieben wurde. Im Zuge dieser Revolution wurde das Braunschweiger Residenzschloss niedergebrannt, sodass der im Anschluss regierende Herzog Wilhelm das Schloss Richmond als seine Residenz nutzen musste. Er war jedoch mit der Größe des Schlosses und des Parks unzufrieden. Er vergrößerte er die Parkanlage und ließ sich eine Villa im englisch-gotischen Stil erbauen. Zusätzlich hatte er Pläne ein neues Schloss zu erbauen, die allerdings nie in die Tat umgesetzt wurden. In den darauffolgenden Jahren wurde das Schloss von den jeweiligen Herzögen Braunschweigs genutzt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Schloss zeitweise von Herzog Ernst August und Viktoria Luise bewohnt. Im Jahr 1925 wurde es an den Fabrikanten Bernhardt Römmert vermietet. Dieser kümmerte sich während seiner Zeit als Mieter hingebungsvoll um den Erhalt. 1935 wurde Schloss Richmond schließlich mitsamt der Parkanlage an die Stadt Braunschweig verkauft. Diese trennte einen großen Teil der Parkanlage ab, auf dem die „Reichsjugendakademie“, (heute Braunschweig Kolleg) erbaut wurde. Bis zum Krieg wurde das Schloss weiterhin von diversen Personen bewohnt. Allerdings wurde es stark vernachlässigt. Die Innenwände wurden mit Kalk weiß gestrichen und der Charakter des Schlosses ging verloren. 1945-1948 nutzten die Alliierten das Schloss. Es war ihre Befehlsstelle und diente auch als Offizierskasino. Als das Schloss wieder an die Stadt überging wurde es in geringem Ausmaß renoviert; Die Wände und Deckenprofile wurden farblich gestrichen und zusätzlich wurden Gemälde aus dem Herzog Anton-Ulrich-Museum aufgehängt. Das Schloss wurde nun für Kulturveranstaltungen, insbesondere Konzerte, genutzt.

Am 2.10. 1956 wurde das Schloss schließlich der Öffentlichkeit übergeben. Im Zuge einer kleinen Renovierungsmaßnahme im Jahr 1977 entdeckte man Hinweise auf das ursprüngliche Erscheinungsbild des Schlossinneren und man entschloss sich das Entree, den Speisesaal und den Gartensaal aufwändig zu restaurieren und so weit wie möglich den Urzustand wiederherzustellen. Auch heute wird das Obergeschoss des Schlosses wieder bewohnt, während das Erdgeschoss durch regelmäßige Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Quellen

  • Schloß Richmond / Christiani (1984)
  • Schloss Richmond bei Braunschweig / Adriani (1966)
  • Schlösschen Richmond: zauberhafte Insel im Häusermeer der Stadt / Lotz (1957)