TU Hochhaus

Aus Bauwissen


TU Hochhaus

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Standort 52°16′22.116″N 10°31′38.928″E

52.27281, 10.52748

Städtebauliche Einordnung Teil des Hochschulkomplexes der TU Braunschweig
Bauaufgabe Technischer Hochschulbau
Baujahr 1954 - 1956
zeitliche Einordnung deutsche Nachkriegsmoderne


Baustil "Braunschweiger Schule" / neues Bauen / Rationalismus
Architekt Prof. Dieter Oesterlen
Ingenieur -
Bauherr Stadt Braunschweig


Nutzung Institutsgebäude der TU Braunschweig
Konstruktion Stahlbeton-Skelettbau
Gebäudetyp Öffentlicher Hochschulbau
Baumaterial Fassade: Glas / Granitplatten

Baugeschichte

Im Zuge des Wiederaufbaus entstand 1954-1956 das TU Hochhaus, auch bekannt als Okerhochhaus, als Ersatz für den im 2. Weltkrieg zerstörten Südflügel des Hauptgebäudes der TH Braunschweig. Bevor Dieter Oesterlen den Lehrstuhl an der TH Braunschweig annahm, wollte man den Südflügel dreigeschossig wiederaufrichten. Von einer Rekonstruktion des Südflügels wurde jedoch aufgrund von Mehrbedarf an Räumen und der ungünstigen Nord-Süd-Belichtung abgesehen. Ab 1953 war Dieter Oesterlen Mitglied im Bauausschuss der Hochschule und suchte zusammen mit dem Neubauamt nach einer alternativen Lösung zum Wiederaufbau des Südflügels. Anspruch an den Bau war „eine möglichst große Öffnung des Hofes zu der südlich an der Oker gelegenen Grünfläche“ und „eine organische Verbindung zu dem Flursystem des Altgebäudes"[1] Die Entscheidung fiel auf einen Bau des Hochhauses hofseitig am südlichen Ende des westlichen Altbauflügels. Entworfen und konstruiert wurde es durch Professor Dieter Oesterlen, der ab 1952 einen Lehrstuhl an der TH Braunschweig inne hatte. Gewidmet war der Bau dem damaligen Lehrstuhl und der Fakultät für Bauwesen. Das TU-Hochhaus weist anders als die meisten okernahen pfahlgegründeten Gebäude eine kostengünstigere Plattengründung auf. Das Tragwerk des Baukörpers wurde in Stahlskelettbauweise ausgeführt. Durch den festen Verbund der einzelnen Elemente des Tragwerkes bildete es ein mehrfach unbestimmtes System. Dies entspricht einer materialarmen, kostengünstigen und zeitgenössisch üblichen Bauweise. Ortsansässige Gutachter entschieden vor wenigen Jahren, dass die Bausubstanz veraltet ist und eine Sanierung notwendig sei, um die geforderten Energiesparverordnungen einzuhalten. Daraufhin wurde das begutachtende Büro beauftragt, um die ursprüngliche Fassade in aufwendiger Arbeit zu ersetzen. Bei der Sanierung der Fassade entschied man sich zum Einsatz einer dünnen Natursteinoberfläche, obwohl sich Oesterlen bewusst gegen die Verwendung von Naturstein (Muschelkalk) entschied.[2] Diesbezüglich bricht die neue Fassade des Okerhochhauses mit der ehemals einheitlichen Gestaltung in Beton-Optik . Kritiker bemängeln die mangelnde Auseinandersetzung mit dem denkmalgeschützten Objekt und kritisieren die Lieblosigkeit, die auch in dem Bruch der Fassadenstruktur erkennbar ist, denn ehemalige Fugen, die die Fassade geprägt haben werden nur optisch angedeutet.

Baubeschreibung

Das denkmalgeschützte TU Hochhaus ist ein sehr schlanker 17-geschossiger Hochbau mit rechteckigem Grundriss. Es misst eine Höhe von 58,7 m eine Breite von etwa 40 m und eine Tiefe von gerade einmal 10 m. Daraus ergibt sich eine Netto Grundfläche von 7.359 m². Das TU Hochhaus wurde in bereits vorhandene Gebäudestrukturen eingegliedert. So wird die westliche Fassade beispielsweise in den fünf unteren Geschossen von dem anschließenden Chemietrakt verdeckt. Dieter Oesterlen ordnete es in einem orthogonalen Raster zusammen mit den Bestandsbauten, an um es mit deren Proportionen abzustimmen. Das Polytechnikum weißt zum Beispiel das doppelte Achsmaß von 4 m auf. Die übliche Geschosshöhe von 3,35 m ergibt zusammen mit dem Achsmaß von 2 m eine Approximation an den Goldenen Schnitt. Das 1. Obergeschoss des TU Hochhauses ist durch einen aufgeständerten Glasgang mit dem Altgebäude verbunden. Auf Grund der scheibenartigen Bauweise ist die Erschließung der Räume einbündig. Die Räumlichkeiten und Flure sind großzügig geschnitten und gleichen dank der großen hellen Fensterfronten eines Ateliers. Der Gedanke Oesterlens war eine offene und helle Umgebung zu schaffen, die zum Lernen und Arbeiten einlädt. Die Flure waren so geplant, dass sie wegen ihrer Breite ebenfalls als Arbeitsplatz oder Präsentationsfläche genutzt werden konnten. Wesentliches Merkmal außer der schlanken Bauweise sind das Staffelgeschoss in Stahlskelettbauweise mit einer allseitig überstehenden Dachplatte, die eine funktionelle Öffnung aufweist: „Die auf dem Dach im Freien aufgestellten Pfeiler ermöglichen die Durchführung von Winkelmessungen und anderer wichtiger Aufgaben. Um im Rahmen der Übung zur sphärischen Astronomie auch die Beobachtungen von Nordsternen zu ermöglichen, wurde trotz schwerer architektonischer Bedenken in der Dachplatte des 17. Geschosses eine Öffnung freigelassen.“[3] Ebenfalls besonders ist die flächige Betonwerksteinfassade. Sie verleiht dem Hochhaus sein typisches Aussehen. Vor der Sanierung wurden Betonwerksteinplatten verschiedener Form und Farbe verbaut. Nun schmücken unterschiedliche Natursteinplatten aus Granit die Rasterfassade. Aufgrund des Aufbaus der Rasterfassade mit einem Achsabstand von 2m war ein Verbau von ungeteilten Drehflügelfenstern nicht möglich. Der Bauauschuss entschied sich zum Verbau von Schwingflügelfenstern mit Holzrahmen, die außerdem den Vorteil einer einfachen Reinigung von Innen besaßen. Die ehemals verbauten Schwingflügelfenster mit Holzrahmen, wurden mittlerweile durch energieeffizientere und bedienungssichere Fensterfassungen ersetzt.

Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Das TU Hochhaus ist ein Symbol der „Braunschweiger Schule“, einer Architekturlehre geprägt durch die Professoren Friedrich Willhelm Kraemer, Dieter Oesterlen und Walter Henn. Zeitlich kann man die Anwendung der „Braunschweiger Schule“ einordnen in die Nachkriegszeit von 1946 bis in die frühen 1980er Jahre. Es ist allerdings anzumerken, dass der Begriff der „Braunschweiger Schule“ erst durch die Schüler der drei Hauptvertreter dieser Architekturlehre geprägt worden ist. Ein fundamentaler Charakter dieser Lehre, ist die Ausrichtung an dem Ideal des Neuen Bauens. Wichtiges Motiv für die Entwürfe Oesterlens ist die Trennung von Form, Konstruktion und Funktion unter der Berücksichtigung geistiger Werte wie Atmosphäre und Charakter bei gleichzeitiger Homogenität im Gesamtentwurf. Für den homogenen Gesamteindruck ist der bei der Dimensionierung des TU Hochhauses berücksichtigte Goldene Schnitt bedeutend. Für Oesterlens Entwürfe spielt der Kontrast von Altem und Neuem eine genauso wichtige Rolle wie die Anwendung klassizistischer Elemente als Grundlage der modernen Architektur. „Zeitlebens ist mir immer wieder begegnet, historische Bauten mit Neubauten zu konfrontieren. Ob es die Arbeit des Restaurierens oder der Ergänzung war, habe ich es immer als ein kräftemessendes Wechselgespräch zwischen den Zeiten und Architekten empfunden, bei dem ich hoffe, nie den Respekt gegen den vor mir tätigen Baumeister vergessen zu haben.“[4] Die klassische Gestaltung des damals modernen Hochbaus zeigt sich in der klaren Strukturierung des Gebäudes wieder. So ist eine deutliche Trennung vom Sockel, dem Hauptkörper mit Rasterfassade, den Giebeln und dem „Flugdach“. Die Wirkung des Hochhauses hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Der zur damaligen Zeit noch markante Hochbau gliedert sich heute fast diskret in die Umwelt ein. Diese Wirkung wird durch die schlanke Ausführung in Skelettbauweise unterstützt. Aber auch durch die flächige Rasterfassade mit den großen Fensterelementen wirkt der Hochbau leicht und elegant.

Literatur

  • Oesterlen, Dieter: Bauen und Texte 1946-1991, Berlin 1992
  • Siekmann, Frederik: Dieter Oesterlen - das Hochhaus der Technischen Hochschule Braunschweig 1954-1956, Braunschweig 2013

Weblinks

Einzelnachweise

  • [1] Oesterlen, Dieter: Hochhaus der Fakultät für Bauwesen. Die Technische Hochschule Braunschweig (Jahrbuch 1963) S. 84-91
  • [2] Siekmann, Frederik: Fallbeispiel Okerhochhaus, in: Baunetzwoche#251 Braunschweiger Schule, 2011, unter: https://www.baunetz.de/baunetzwoche/baunetzwoche_ausgabe_2402717.html (Zugriff am 05.01.2018)
  • [3] Prof. Dr.-Ing. Bodemüller: Institut für Vermessungskunde, in Festschrift zur Einweihung des Hochhauses, 1956, S. 25-26
  • [4] Oesterlen, Dieter: Vorwort, in: Dieter Oesterlen: Bauen und Texte 1946-1991, Berlin 1992, S.7