Veltheimsches Haus

Aus Bauwissen

Veltheimsches Haus

Datei:Südansicht des Veltheimschen Hauses.jpeg
Veltheimsches Haus (Südansicht)
Standort 52°15'53"N 10°31'24"E, Am Burgplatz 2, Braunschweig
Städtebauliche Einordnung Das Veltheimsche Haus ist nach dem Dom das älteste, nicht versetzte Gebäude am Burgplatz, der das Zentrum des mittelalterlichen Braunschweigs bildete.
Baujahr Laut Inschrift 1573
Epoche Übergangszeit zwischen Spätgotik und Renaissance
Bauherr Erbaut wurde das Veltheimsche Haus durch Achatz d. J. von Veltheim auf Harbke und Margareta von Saldern
Nutzung Sitz des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade
Konstruktion Das Veltheimsche Haus ist ein sächsischer Fachwerkbau in Stockwerkbauweise. Es ist ein dreigeschossiger Stadthausbau mit einer Gebäudedurchfahrt auf der östlichen Seite. Die Gefache sind, auf einer aus Weidengeflecht bestehenden Unterkonstruktion, ausgeputzt.
Gebäudetyp Das ehemalige Stadthaus der Familie und Wohnsitz ist heute ein repräsentatives Bürogebäude.
Baumaterial Bei der Grundkonstruktion eines Fachwerkbaus sind die tragenden Fachwerkwände aus Holz. Hierfür wurde Eichenholz verwendet. Der Dachstuhl sowie einige Innenwände sind aus Nadelholz gefertigt, es könnte sich hierbei um Kiefer oder Fichte handeln.

Die Gefache sind aus Holzstaken mit Weidengeflecht hergestellt welche anschließend überputzt wurden. Die Dachdeckung ist mit einer Hohlpfanne ausgeführt.

Baubeschreibung

Schwelle und Erdgeschoss

Das Veltheimsche Haus ist als ein sächsisches Fachwerk errichtet. Dieses ist an mehreren markanten Details zu erkennen. So wurden besonders auf der dem Burgplatz zugewandten Seite Fußbänder verwendet. Die Fußbänder sind unterhalb des Fensterriegels gezapft und entsprechen etwa der Form eines gleichseitigen Dreieckes. Die Schwelle liegt auf einem ca. 70 cm hohen Natursteinsockel auf. Die Ständer sind in die Schwelle eingezapft. Das gesamte Fachwerk enthält keine Schriftzeichen, dies ist für historische Fachwerkhäuser ungewöhnlich. Einzig die Ständer des Rundbogenportals laufen bis auf die Prellsteine durch. Die Prellsteine hatten die Funktion eines Radabweisers um das Rundbogenportal und das Tor vor Schäden durch Wagenräder zu schützen. Das Rundbogenportal enthält die Wappen der Familien von Veltheim und von Saldern. Die Inschrift über der Durchfahrt weist auf das Baujahr 1573 hin. Der Torbogen selbst ist durch Taustäbe verziert. Auffällig ist auch der sehr geringe Ständerabstand. Es wurden, charakteristisch für sächsische Fachwerke, wenig Streben und nur vereinzelt Kopfbänder verwendet. Die Ständer sind mit einer Breite von ca. 24 cm wesentlich stärker als die Riegel mit 16 cm. Die Fenster wirken aufgrund ihrer Höhe sehr schlank. Dies verstärkt die Wirkung der hohen Geschosse, insbesondere des Erdgeschosses. Im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk liegen die Sturzriegel höher als die Fachwerkriegel. Etwas untypisch ist, dass die Fenster nicht bis unter den Rähm reichen. In vergleichbaren Bauten wurden der Sturzriegel meist weggelassen und Fenster bis unter den Rähm gezogen. Das Fachwerk kragt auf der Platzfront aus. Daran lässt sich auch die Ausrichtung der Balkenlage im Inneren erkennen. Die Auskragungen werden durch Konsolenknaggen unterstützt. Diese haben des Weiteren eine, den Köpfbändern ähnliche, aussteifende Wirkung in Richtung der Balkenlage. Die Knaggen sind ihrer Schweifung und Verzierung nach aus der Renaissance. Auffällig ist, dass nicht nur die Knagge selbst, sondern auch der auflagernde Balkenkopf verziert wurde. Die Geschossschwellen, welche gleichzeitig die Funktion des Rähmes haben, sind reich mit im Flächenschnitt ausgeführten Diamantfriesen verziert und in Diamantkassetten gestaffelt. Das Diamantfries ist eine Weiterentwicklung des Laubstabes und kommt ab dem 16. Jahrhundert in der Gegend um Braunschweig vor. Beim Diamantfries, auch Facettband genannt, schwingen zwei Ellipsen um einen mittig laufenden Grad. Das Diamantfries ist der wohl wichtigste Vertreter der Kettenfriese und wird umgangssprachlich oft als Wellenband bezeichnet. Ungewöhnlich ist, dass die Ständer im Erdgeschoss nicht verziert sind. Für Braunschweiger Fachwerkhäuser aus dem 16. Jahrhundert ist die traufseitige Ausrichtung des Gebäudes zum Burgplatz typisch. Dies ist eine regionale Besonderheit, denn vergleichbare Bauten in anderen norddeutschen Städten sind fast immer giebelseitig ausgerichtet.

Erstes Obergeschoss

Auffällig am ersten Obergeschoss ist dessen besondere Höhe. Während das auskragende erste Obergeschoss bei bürgerlichen Häusern meist als Speicherraum genutzt wurde und das tägliche Leben im Erdgeschoss stattfand, wurde beim Veltheimschen Haus das auskragende erste Obergeschoss als Wohngeschoss genutzt. Im 18. Jahrhundert wurde das erste Obergeschoss zu einem Doppelständerfachwerk umgebaut, wobei die Fassadenständer verschoben wurden. Die Ständer des Erdgeschosses und des zweiten Obergeschosses liegen noch immer in einer Achse. Die Ständer im Obergeschoss zeigen klar den Stil der Renaissance mit ihrer großen Schmuckliebe. Die Verzierungen der Ständer sind durch die Brüstungsriegel der Fenster geteilt. Wobei die Teilung etwa dem Verhältnis 1:2 entspricht. Der untere Teil weist Arkadenmotive, sowie Perlreihungen in Hufeisenform auf. Der obere Teil fasst die Fenster seitlich mit Taustäben ein. Die Riegel sind im ersten Obergeschoss wie auch im Erdgeschoss ohne Zier.

Zweites Obergeschoss

Das zweite, ebenfalls auskragende, Obergeschoss ist nicht so hoch wie das erste und die Ständer stehen ebenfalls in einer Achse mit denen des Erdgeschosses. Daher sind die Fenster wesentlich schmaler als im ersten Obergeschoss. Die Sturzriegel der Fenster und die oberen Fachwerkriegel sind durchlaufend auf einer Höhe. Die Fachwerkriegel sind etwas dünner ausgeführt als die Sturzriegel. Das liegt vermutlich daran, dass die Fachwerkriegel ihre Last auch über die Ausfachungen nach unten übertragen können. Bei den Sturzriegeln ist dies nicht möglich. Auch die Brüstungsriegel bilden eine durchgehende Riegelreihe mit den Fachwerkriegeln. Die Brüstungsriegel sind hervorstehend ausgearbeitet und mit einem Tauband verziert. Diese Riegelreihe umläuft das Gebäude über die gesamte Platzfront.Die Verzierungen der Schwelle und Ständer entsprechen jedoch denen des ersten Obergeschosses.

Die Auslucht

Die seltene, mehrgeschossige Auslucht ist das wohl charakteristischste Merkmal des Veltheimschen Hauses. Sie ist in den ersten drei Geschossen ähnlich der Hauptfassade aufgebaut. Der auffälligste Unterschied ist die Ausführung des Rähms. Während in der Hauptfassade der Platzfront Schwelle und Rähm zu einem Bauteil zusammengefasst sind, ist hier die Schwelle durch einen zusätzlichen Rähm unterstützt. Die Schwelle ist durchlaufend zur Hauptfassade ausgebildet. Der Rähm der Auslucht ist dezenter als die darüber liegende Schwelle gestaltet und lediglich mit einem Diamantfries verziert. Die Auslucht trägt ein Zwerchhaus mit einem Spitzgiebel. Das Zwerchhaus besteht aus einem Frauensitz mit Blick auf den Burgplatz und einer darüberliegenden Ladeluke. Die Ladeluke wurde vermutlich selten genutzt, da sie zwei Meter über dem Dachboden angeordnet ist, was eine Nutzung sehr umständlich gestaltet. Eher diente sie der Zier, da auch kein Aufzugbalken vorhanden ist. Die Windfedern des Zwerchhauses sind sehr schmuckvoll gestaltet. Die Windfeder ist in Verbindung mit einem Deckelbrett ausgeführt.

Rückseite / Nordansicht

Die nach Norden ausgerichtete, dem Burgplatz abgewandt Seite des Veltheimschen Hauses ist in den 1980er Jahren im Erdgeschoss saniert worden. Sehr wahrscheinlich wurden hierbei auch alle Fachwerkständer im Erdgeschoss ausgetauscht. Das würde auch erklären, warum im Erdgeschoss keine Fußbänder und Streben mehr zu finden sind. Auch die durchgehende Fensterfront ist höchstwahrscheinlich nicht mehr im Originalzustand. Denn die nachträglich eingesetzten Fenster sind höher als die Fenster im Obergeschoss. Außerdem wurden hier nach Außen schwingende Doppelflügelfenster mit festem Oberlicht durch nach innen schwenkende Stegfenster ersetzt. Im 18 Jahrhundert wurde auf der Rückseite der Treppenturm angebaut. Stilistisch wurde dieser sehr ursprungsgetreu ausgeführt, sodass die unterschiedlichen Bauepochen erst an der Konstruktion des Dachstuhles erkennbar werden. Die Turmgefache werden durch stehende als auch liegende Andreaskreuze ausgesteift. Teilweise ist der Rähm des ersten Obergeschosses zugleich der Fensterriegel des zweiten Geschosses, dort ist die Schwelle ebenfalls auf Knaggen aufgelagert. Auch die zweite Schwelle ist mit einem aufwändigen Diamantenfries verziert. Die Achsabstände der Ständer im zweiten Obergeschoss stimmen mit denen des ersten Geschosses überein. Die Geschoßhöhe des dritten Geschosses ist etwas geringer als die der unteren. Besonders auffällig ist die Absackung auf der Rückseite. Die Westliche Gebäudeecke ist einige Dezimeter abgesackt. Die Absackung ist besonders auffällig an dem Verlauf von Schwellen und Rähmen zu erkennen.

Giebelseite dem Platz zugewandt / Westgiebel

Die dem Burgplatz zugewandte Giebelseite ist ohne Verzierungen, Auskragungen und Fußbänder ausgeführt. Die Geschoss und Riegelhöhen entsprechen denen der Platzfront zugewandten Seite. Lediglich eine Strebe und ein Kopfband pro Geschoss haben eine aussteifende Funktion. Ungewöhnlich ist die Grundform des Gebäudes, bzw. die Anordnung der Giebelwand in einem sehr stumpfen Winkel zur Platzfront. Dieses hat auch Auswirkungen auf den Aufbau der Dachkonstruktion.

Das Dach

Das Dach ist in der Grundform ein Satteldach. Der Dachstuhl ist aus Nadelholz gefertigt. Aufgrund der Anordnung der westlichen Giebelwand ist eine Dachseite als Walm ausgeführt. Das Dach ist eine Kehlbalkendachkonstruktion mit vier Kehlbalkenlagen. Der Gradsparren zwischen der nördlichen Hauptdachseite und dem westlichen Walm lagert auf einem auf der Dachbodenbalkenlage stehenden Ständer auf. Das Aufständern ist notwendig, da ein Kehlriegeldach die Ständer zum Lastabtrag der auf das Dach einwirkenden Lasten benötigt. Der Gradsparren dient dem Abtrag der Lasten der Walmdachschifter und der Hauptdachschifter. Die Hauptdachsparren, sowie die Walmdachschifter lagern auf einer umlaufenden Schwelle auf. Die Verbindung zwischen Dachhölzern und Schwelle ist mit Versätzen ausgeführt. Diese Schwelle bildet ein Widerlager und trägt so die horizontalen und vertikalen Kräfte der Sparren ab.Auch das Zwerchhaus ist als Sparrendach ausgeführt. Das äußerste Gebinde ist von den Platzfronten einsehbar und wurde als Eichenfachwerk ausgeführt.Die Traufe ist durch Aufschieblinge ausgeführt, diese Aufschieblinge haben eine flachere Neigung als die Sparren und Schifter und bilden den Dachüberstand aus. Von außen sind die Aufschieblinge an dem „Knick“ sowohl im Haupt- und Walmdach, als auch im Spitzdach des Zwerchhauses besonders gut zu erkennen. Die Kehlbalken sind mit einem Schwalbenschwanz verblattet und mit einem Holznagel gesichert. Die unterste besonders lange Kehlbalkenlage lagert mittig auf einer Art Pfette auf. Der Dachstuhl ist mit Windrispen, welche als Sturmbalken dienen, ausgesteift. Auch in der Gebäudemitte sind weitere Konstruktionen zur Aussteifung eingebaut. Der Treppenturm auf der nördlichen Gebäudeseite ist als Kegeldach ausgeführt. Das Kegeldach wird in der Achse durch einen Kaiserstiel gestützt. Der Treppenturm muss nachträglich erbaut worden sein, was aus dem Anschluss an das Hauptdach hervorgeht. Die Fachwerkwand zum 1902 versetzten Huneborstelschen Haus enthält keine Ausfachungen mehr. Es steht nur noch das tragende Fachwerkgebälk. Da die westliche Ecke des Gebäudes absackt, neigen sich auch die obersten Gebinde nach Westen. Dieses wird durch die Walmkonstruktion noch verstärkt da auch der, fest mit dem Hauptdach verbundene, Gradsparren absackt. Aus diesem Grund wurden Maßnahmen getroffen um ein weiteres Abneigen der Gebinde zu verhindern.

Innere Konstruktion

Da der größte Teil der inneren Konstruktion nicht frei liegt, kann hier nur auf vergleichbare Konstruktionen geschlossen werden. So vermuten wir, dass die Innenwände aus einem tragenden Nadelholzfachwerk gebaut sind und so die aufliegende Balkenlage tragen. Die Balkenlage ist quer zur Hauptdachrichtung angeordnet, dies erzielt eine weitere aussteifende Wirkung. An der westlichen Gebäudeseite ist die Balkenlage aufgrund des stumpfen Winkels durch Stichbalken und zimmermannsmäßige Verbindungen ausgeführt. Wahrscheinlich ist die Balkenlage mit den Außenwänden verkämmt, was eine verschiebesichere Verbindung von Holzbalkendecke und Fachwerkwand sichern würde.

Nutzungsgeschichte

Das als Adelshof gebaute Gebäude wurde von Beginn an bis in das 18 Jahrhundert durch die Familie von Veltheim genutzt.. Ab 1902 wurde das Fachwerkhaus durch die Handwerkskammer Braunschweig genutzt. In dem Gebäude fanden Schulungen und die Unterbringung der Lehrlinge statt. Ab dem 15.10.1944 wurde das Veltheimsche Haus Unterkunft der NSDAP Kreisleitung, nachdem die Villa Rimpau durch Bomben zerstört worden war. Die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges hat das Gebäude völlig unbeschadet überstanden. Es wäre am Tage der Kapitulation jedoch beinahe durch ein Feuer vernichtet worden. Kurz vor der Flucht versuchte der Befehlsleiter der Stadt Braunschweig Beweisakten zu vernichten und zündete Aktenberge in seinem Amtszimmer im Veltheimschen Haus an. Da jedoch das Papier zu dicht lag erlosch das Feuer von selbst und sowohl die Akten als auch das Gebäude blieben erhalten. Nach der Befreiung wurde das Gebäude erst durch das US-Militär und anschließend durch die britischen Streitkräfte genutzt. Nach dem Abzug der britischen Truppen 1974 wurde das Gebäude grundlegend saniert und wird seitdem wieder von der Handwerkskammer Braunschweig genutzt. Heute ist es der Sitz des Hauptgeschäftsführers der HWK-BLS (Handwerkskammer Braunschweig Lüneburg Stade) sowie der Abteilung für Hoheitsaufgaben.

Bilder

Quellen

  • Das Braunschweiger Stadtlexikon S. 233, Peter Giesau
  • Fachwerkarchitektur in Braunschweig, Arnhold & Kotyrba, 2011
  • Das Zimmermannbuch, Theodor Krauth und Franz Sales Meyer, 1895, nachgedruckt Hannover 1981