Wasserturm

Aus Bauwissen

Wasserturm auf dem Giersberg

Datei:Wasserturm Nr.1.jpg
Wasserturm auf dem Giersberg
Standort Hochstraße 15, 38102 Braunschweig
Städtebauliche Einordnung Stadterweiterung des östlichen Ringgebiets
Bauaufgabe Wasserturm
Baujahr 1901
Epoche Übergang später Historismus zur Reformarchitektur
Architekt Max Osterloh [1]
Ingenieur Adolf Thiem [2]
Bauherr Wasserwerke Braunschweig
Beteiligte Firmen Wilke-Werke Braunschweig
Nutzung Wasserversorgung
Konstruktion Sockelgeschoss aus Backsteinmauerwerk, verputztes Mittelgeschoss, Schieferdach mit Laterne
Gebäudetyp Technischer Bau
Baumaterial Backstein, Putz, Schiefer, Eisen (Behälter)


Baubeschreibung

Der Wasserturm auf dem Giersberg kann in die Kategorie der Turmbauten eingeordnet werden und gehört damit zu den Technischen Bauten. Konstruktiv lässt er sich in drei Abschnitte gliedern: Ein schräg ansteigendes Sockelgeschoss aus Backsteinmauerwerk, ein hohes verputztes Stockwerk und ein auskragendes Obergeschoss mit Dach für den Wasserspeicher.

Nach dem Vorentwurf von Stadtbaurat Ludwig Winter sollte der Wasserturm neugotische Formen zum Vorbild haben bzw. als reiner Nutzbau gedacht sein. Doch man entschied sich für den Entwurf des Architekten Max Osterloh. Dieser gestaltete den Giersberg-Turm mit architektonischen Würdeformen.

Der Wasserturm ist vertikal durch Gesimse gegliedert und teilt somit die drei konstruktiven Systeme voneinander: das Sockelgeschoss, das mittlere verputzte Stockwerk und das auskragende Obergeschoss. Auf der Westseite des Turms befindet sich der Risalit aus Backstein (ein auf rechteckigem Grundriss stehender Vorbau). Am Fuße des Risalits befindet sich der Eingang, ein Rundbogenportal betont von Kantenquadern. Diese lassen wiederum den Risalit eckiger, kantiger wirken. Eine Bogenblende über dem Eingangsportal fasst die drei Fensterreihen zusammen. Am oberen Ende gliedert sich der Risalit in einen mittleren Stufengiebel flankiert von zwei Achtecktürmen mit geschweiften Hauben, in denen sich ein Treppenaufgang und ein Aufzug befinden. Auf dem zwischen den oktogonalen Türmen befindlichem Stufengiebel findet sich das Erbauungsdatum „1901“. Das obere Stockwerk, in dem sich der wichtigste Teil des Wasserturms befindet, der Wasserspeicher, ist auch von außen klar erkennbar. Über Konsolen ragt das mit Blendbögen verzierte Obergeschoss heraus. Über dem Speicherstockwerk erhebt sich ein mit Schiefern bedecktes Kegeldach mit Laterne und Wetterfahne.


Der Wasserbehälter im Wasserturm besteht aus genieteten Eisenblechen und ist als Hängebodenbehälter ausgeführt. Im oberen Teil hat er eine zylindrische Form mit einem Durchmesser von 18 m und einer Seitenhöhe von 6,50 m, der untere Teil ist als Kugelabschnitt ausgebildet. Dieser hat einen Kugelradius von 11,75 m, was zu einer Höhe von 4 m führt. Insgesamt wiegt der Wasserbehälter 160 t und hat ein Fassungsvolumen von 2000 m³. Er hat als Auflager einen ebenfalls genieteten, innenliegenden Zugring, der auf Höhe des Kranzes der Mauerwerkskonsolen aufliegt.

Bau- und Nutzungsgeschichte

Im 19. Jahrhundert wurde das Trinkwasser in Braunschweig der Oker entnommen und gefiltert, um es dann in der Stadt zu verteilen. Nach einigen Umbaumaßnahmen, um der erhöhten Nachfrage nach Trinkwasser nachzukommen, wurde um 1890 nach einem geeigneten Standpunkt für ein Grundwasserwerk gesucht. Dies war erforderlich, da die chemische und bakteriologische Verschmutzung der Oker durch Industrieabwässer so dramatisch zugenommen hätte, daß die Reinigungskraft der Filter des Wasserwerkes nicht mehr ausgereicht hätte. Da auch die Bevölkerung skeptisch gegenüber dem Trinkwasser wurde, veranlasste die Braunschweiger Stadtverwaltung Versuchsbohrungen in der Stadt und Umgebung. Auf der Basis von 60 Bohrungen zwischen Schunter und Bültenweg im Jahre 1898 wurde der Beschluss gefasst, das Grundwasserwerk am Bienroder Weg zu errichten. Dazu wurde Ingenieur Adolf Thiem aus Leipzig hinzugezogen, der das Vorhaben des Baus bejahte und anschließend für den Entwurf und die Ausführungen beauftragt wurde. Am 15. Januar 1902 wurde das Grundwasserwerk in Betrieb genommen. Im Rahmen des Baus eben dieses Grundwasserwerks wurde der Wasserturm auf dem Giersberg an der Hochstraße errichtet. Der Standpunkt wurde gewählt, weil er einer der höchsten Punkte Braunschweigs ist. Der Wasserturm sollte vor allem Druckschwankungen im Rohrnetz ausgleichen. Er wurde 1901 gebaut und mit dem Grundwasserwerk 1902 in Betrieb genommen. Den Wasserbehälter stellten die Wilke-Werke aus Braunschweig her.

Der Braunschweiger Wasserturm erfüllte seine Versorgungstechnische Aufgabe bis 1987 bis er im Zuge modernerer und effektiverer Maschinen und Pumpen abgelöst wurde. Restauriert wurde der Turm 1991. Hierbei sollte eine Zwischendecke auf halber Höhe des Turms eingebaut werden, um einen späteren Nutzen für Ausstellungen beispielsweise unterstützen zu können. Eine Zwischendecke war beim Bau des Wasserturms schon geplant, wurde jedoch aus Kostengründen weg gelassen. 1995 wurde der Giersberg-Turm in das Baudenkmalverzeichnis aufgenommen. Man entschied, dass der Wasserturm nicht nur wegen seiner baukünstlerischen und geschichtlichen Bedeutung erhaltenswert sei, sondern auch wegen der Technikausstattung, die der Turm bis heute noch besitzt. Denn die meisten unter Denkmalschutz stehenden Wassertürme haben im Laufe der Jahre ihre Technik ausbauen müssen. 2012 wurde der Wasserturm letztmalig saniert. Eine für denkmalgeschützte Gebäude spezialisierte Baufirma (Werkstätten für Denkmalpflege GMBH Quedlinburg) sollte den Turm wieder herrichten. Hierbei wurde die gesamte Fassade gereinigt, Mauerwerksfugen gesäubert und erneuert und kaputte Steine ausgetauscht. Gesimse und die Beschichtung der Fenster wurde ebenfalls erneuert. Um das Wahrzeichen der Stadt Braunschweig aufzuwerten, lässt das Energieunternehmen BS-ENERGY den Turm indirekt beleuchten.

Da der Wasserturm nicht mehr in Betrieb ist, unter Denkmalschutz steht und keine richtige Aufgabe mehr hat, versucht man ihm trotzdem einen Nutzen zu geben, der der Öffentlichkeit dient. Die Planung war eine Symbiose aus Denkmalschutz und Technikmuseum herzustellen. Attraktiv wird der Wasserturm durch seine Technikausstattung, die im Inneren noch vorhanden ist. Seit seiner Schließung wird er für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt. Er war mehrfach am „Tag des offenen Denkmals“ der Öffentlichkeit zugänglich. Eine regelmäßige Nutzung des Gebäudes ist jedoch nicht vorgesehen, denn es fehlen ein zweiter Fluchtweg und jegliche Sanitäranlagen. Gesellschaftliche Veranstaltungen musikalischer Art oder am späteren Abend sind nicht vorstellbar, denn die Totenruhe des angrenzenden katholischen Friedhofs, auf dem Kinder polnischer Zwangsarbeiterinnen beerdigt wurden, ist ebenfalls zu berücksichtigen.

Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Nach dem Vorentwurf des Stadtbaurats L. Winter (2. Architekt) war ein streng neugotischer Baustil für den Wasserturm vorgesehen. Dieser ist aus dem späten Mittelalter abgeleitet und ist geprägt von Turm- und Sakralbauten verziert mit Spitzbögen. Nach M. Osterlohs (1. Architekt) Entwurf waren doch eher rundere barockere Formen maßgebend. Üppige Prachtentfaltung und die Vermischung von Malerei und Architektur sind kennzeichnend. Am Beispiel des Wasserturms die Vermischung der Zierelemente und des Materialgebrauchs. Hier entsteht aus rotem Backstein, hellen Putzflächen und dem schieferbedeckten Dach ein malerisches Bild. Das Werk des Architekten M. Osterloh steht am Übergang vom späten Historismus zur Reformarchitektur mit Einflüssen des Jugendstils sowie barocken Tendenzen. Die Formensprache des Turms verbindet Teile des Barock mit Elementen der Wehrarchitektur und Industriebauten. Nicht gleich anzunehmen ist, dass sich hinter der schönen, der Stadt zugewandten Schaufassade ein reiner Nutzbau verbirgt. Der Giersberg-Turm reiht sich ein in die Silhouette der Stadt, die damals wie heute noch wesentlich von den Turmbauten der Kirchen bestimmt ist. Vergleichbare Bauten in Braunschweig sind die Martinikirche (1899, [3]) oder das städtische Museum (1906, [4]) bei denen M. Osterloh ebenfalls mit dem Bau bzw. mit der Restaurierung betraut war.

Der im Wasserturm installierte Hängebodenbehälter war keine direkte Innovation, entsprach aber dem damals aktuellen Stand der Technik. Die ersten Hängebodenbehälter wurden Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, damals noch zur Wasserversorgung der Eisenbahnen. A. Thiem, Ingenieur des Behälters des Braunschweiger Wasserturms, hatte in Frankreich durchhängende Behälterböden kennen gelernt und vewandte diese als einer der Ersten in Deutschland. Wurden Anfangs (1870 – 1880) die Kugelabschnitte der Behälter noch mit einem Stich (Verhältnis von Durchmesser zu Tiefe des Kugelbodens) von 1/8 – 1/9 gefertigt, ging die Tendenz später (1900) zu einem Verhältnis von 1/4 über. O. Intze [5] verwirklichte dies im Jahre 1884 beim Bau des Essener Wasserturms zum ersten Mal und reduzierte so die horizontalen Auflagerkräfte. Dort wurde der Wasserbehälter mit einem Durchmesser von 18 m und einer Pfeilhöhe von 4,03 m hergestellt, was einem Stich von 1/4,5 entspricht und fast genau mit den Abmessungen des Behälters im Wasserturm auf dem Giersberg übereinstimmt. Auch das Volumen des Behälters in Braunschweig entsprach den damals aktuellen Erkenntnissen. Der erforderliche Behälterinhalt wurde auf Grundlage des höchsten Tagesbedarfs bemessen, den Thiem 1886 auf 20% veranschlagte.

Bilder

Quellen

  • Appelt, Wilhelm; Müller, Theodor: Wasserkünste und Wasserwerke der Stadt Braunschweig. Braunschweig 1965.
  • Arnhold, Elmar; Kotyrba, Sándor: Architektur im Kaiserreich. Braunschweig 1871‐1918. Braunschweig 2013.
  • Becher, Bernhard; Schönberg, Heinrich; Werth, Jan; Becher, Hilla: Die Architektur der Förder- und Wassertürme. Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts. Heinrich Schönberg und Jan Werth: Die technische Entwicklung. Bd. 13 Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts. München 1971
  • Merkl, Gerhard; Baur, Albert; Gockel Bernd; Mevius Walter: Historische Wassertürme. Beiträge zur Technikgeschichte von Wasserspeicherung und Wasserversorgung. München 1985.
  • Segers‐Glocke, Christiane (Hg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Bd. 1.2 Stadt Braunschweig, Teil 2. Bearb. Wolfgang Kimpflinger. Hameln 1996.
  • Veh, Gerhard M.; Rapsch, Hans-Jürgen: Von Brunnen und Zucken, Pipen und Wasserkünsten. Die Entwicklung der Wasserversorgung in Niedersachsen. Neumünster 1998.
  • Sanierung Wasserturm (2011): Wasserturm Giersberg: Braunschweiger Wahrzeichen wird saniert [online]. Verfügbar unter: http://www.bs-energy.de/unternehmen/presse-fotos-aktuelles/presse-archiv/detailansicht/artikel/wasserturm-giersberg-braunschweiger-wahrzeichen-wird-saniert/ [09.03.2015]
  • Gebauhr, Udo (o. J.): Der Wasserturm auf dem Giersberg in Braunschweig [online]. Verfügbar unter: https://www.braunschweig.de/leben/stadtplanung_bauen/denkmalschutz/projekte/Wasserturm_Info.pdf [10.03.2015]