Polytechnikum

Aus Bauwissen


Polytechnikum

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Ostfassade Polytechnikum, 2018
Standort 52°16'23.5"N 10°31'42.8"E

52.273184, 10.528562 [1]

Städtebauliche Einordnung Neue Unterbringung des Polytechnikums
Bauaufgabe Hochschulbau
Baujahr 1873/74-1877
Epoche Historismus/Klassizismus und Renaissance
Architekt Constantin Uhde
Ingenieur Karl Körner & Constantin Uhde
Bauherr Herzogtum Braunschweig
Beteiligte Firmen -
Nutzung Universität
Konstruktion Massivbau
Gebäudetyp Öffentlicher Hochschulbau
Baumaterial Backstein, Stahl und Holz; Fassade: Werkstein und Putz

Vorgängerunterbringung

Das Collegium Carolinum nahm am 5. Juli 1745 seinen Betrieb zunächst in einem Bürgerhaus [1] am Bohlweg auf, welches zu diesem Zeitpunkt für den Lehrbetrieb umgebaut wurde.

Die Anlage am Bohlweg bestand bereits aus mehreren Gebäuden, welche sich um einen trapezförmigen Innenhof gruppierten und zum größten Teil als Fachwerkgebäude ausgeführt waren. Lediglich das Hauptgebäude war in den beiden unteren Geschossen als Steinbau ausgeführt. Ab 1745 folgte dann ein barocker Umbau des Komplexes mit Erweiterungen, welche den Gebäudekomplex an die Standards eines Collegiengebäudes anpassen sollten. Die Baumeister des Umbaues lassen sich nicht mehr genau ermitteln. Es gab jedoch stilistische Unterschiede zwischen dem Inneren und dem Äußeren der Gebäude. In diesem Gebäudekomplex gab es noch eine strikte Trennung zwischen Lehre und Wohnen, aber trotzdem räumliche Nähe in den verschiedenen Flügeln. Außerdem wurde am Bohlweg ein Reithaus errichtet. Es existierte ein Gebäude mit Speiseräumen gegenüber dem Kollegiengebäude und Häuser mit Professorenwohnungen am Hagenmarkt, welche später hinzukamen.

Ab 1791 wurden die studentischen Wohnungen, welche sich inzwischen in einem benachbarten Gebäude befanden, zu Lehrzwecken umgenutzt und auch die Gebäude am Hagenmarkt dienten bald allein zu Lehrzwecken. In den folgenden Jahren wurden die Gebäude immer wieder umgebaut und erweitert, es wurden Neubauten erstellt, Gebäude angekauft und in den Komplex einbezogen. Bis zum Umzug der Hochschule 1877 in den Neubau entstand so eine unübersichtliche Bausituation. Nach dem Umzug dienten die Gebäude zunächst als Oberlandes- und Landesgericht und später als Obdachlosenunterkunft, bis 1893 der Abriss des Komplexes erfolgte.

Reste der Anlagen existieren nicht.

Planung und Bauvorgeschichte

Durch steigende Studentenzahlen war es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr möglich die Hochschule im Quartier zwischen Bohlweg, Hagenmarkt und Hagenscharrn in angemessener Form zu erweitern, so dass die Hochschulleitung die Landesregierung im Jahr 1864 auf die Nötigkeit eines Neubaues aufmerksam machte.

Ab 1872 beschäftigte sich eine Kommission aus Lehrenden der Polytechnischen Anstalt mit Lösungsansätzen für den Raummangel und kam zu dem Schluss, dass ein Neubau sinnvoller sei als weitere Anbauten, was Hochschuldirektor Dedekind dem herzoglichen Staatsministerium mitteilte.

Verschiedene kommunale Vereinigungen formulierten in einer Petition an das Staatsministerium die Forderung eine Kunstgewerbeschule in dem Neubau unterzubringen, was auch einen Einfluss auf den Entwurf des Gebäudes hatte, jedoch auch zu Streitigkeiten unter den Hochschullehrern führte.

Nach einem Gutachten von Professor Karl Körner und einem Ortstermin einer Landtagskommission wurden schnell finanzielle Mittel für Planung und Umsetzung eines Neubaus bereitgestellt. In kürzester Zeit erarbeiteten die Architekten und ehemaligen Schüler des Carolineum, Karl Körner und Constantin Uhde, eine detaillierte Planung mit Bauprogramm, welche in Zusammenarbeit mit allen Lehrenden der Hochschule erstellt worden war.

Es wurde ein Gebäude geplant, welches für 450 Studierende ausgelegt war und auf dem neuesten Stand der Technik sein sollte, jedoch auch Möglichkeiten für spätere Erweiterungen bieten sollte.


Standort

Zunächst wurde für das neue Polytechnikum aus repräsentativen Gründen ein Standort in Burgplatznähe gesucht. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich allerdings die Idee eines Standortes außerhalb der Innenstadt durch, was auch auf Platzmangel und hohe Grundstückspreise zurückzuführen ist. So wurden ab diesem Zeitpunkt Standorte außerhalb der Innenstadt gesucht.

Wirtschaftliche Gründe führten dann zu dem Entschluss einen Bauplatz zwischen Wenden- und Fallerslebenertor zu kaufen. Parallel zum Neubau wurde das Gebiet rund um das neue Polytechnikumsgebäude urbanisiert, indem zum Beispiel an der neuen Schleinitzstraße eine einheitliche, durchgehende Häuserwand geplant und gebaut wurde, außerdem wuchs der Wohnhausbestand zwischen den existierenden Fabriken und Brachflächen stark an.

Die Planer

Als Planer wurden die drei Braunschweiger Hochschullehrer Constantin Uhde, Karl Körner und Heinrich Ahlburg ausgewählt. Die Aufgaben waren wie folgt verteilt: Uhde wurde mit der Planung des Hauptgebäudes betraut, übernahm aber nach Ahlburgs Tod auch dessen Aufgaben, welche den technischen Ausbau umfassten, Körner war mit der Planung der chemischen Labore beauftragt worden, Uhde und Körner waren gemeinsam für die Ausführungsplanung zuständig.


Schließlich wurde 1873 das endgültige Grundstück gekauft, sodass nach einer kurzen Bauzeit bereits 1877 das neue Gebäude an der Neuen Promenade bezogen werden konnte.

Baubeschreibung

Außen

Der Neubau für das Polytechnikum gruppierte sich geschlossen um einen ungefähr 50m x 50m großen Innenhof, welcher an der Ecke Pockelsstraße/Schleinitzstraße nicht streng rechtwinklig war, mit je zweistöckigen Ost-, Nord- und Südflügeln, wobei der Mittelrisalit des Ostflügels zweieinhalbgeschossig ist. Der Westflügel, welcher die Chemie und Pharmazie Laboratorien beherbergt, ist lediglich eingeschossig.

Das Polytechnikumsgebäude besitzt eine repräsentative Ostfassade, die von einem überhöhten Mittelrisalit bestimmt wird, welcher den dreitürigen Haupteingang beinhaltet und diesen in den mittleren drei der fünf Risalitachsen noch einmal durch einen Versatz nach vorne hervorhebt. Der Sockel der Fassaden auf allen Gebäudeseiten ist besonders stark ausgeprägt und in geschliffenem Naturstein gehalten. Darüber folgt in der Ostfassade ein Brüstungsbereich in gleichem Material, welcher den Rythmus der Fenster in seiner Gliederung aufnimmt. Darüber folgt ein Bereich aus grobem Naturstein, der durch die regelmäßig angeordneten Fenster unterbrochen wird, welche von einem Gurtgesims an ihren Rundbögen eingefasst und verbunden werden. Das Obergeschoss ist wieder in glattem Sandstein gearbeitet und wird besonders durch die Pilaster zwischen den Fenstern gegliedert. Die Schlusssteine der Fensterbögen sind als Voluten ausgeführt, die die Verbindung zu einem Gurtgesims herstellen. Den Abschluss findet die Ostfassade in einem ausladenden Kranzgesims, über welchem eine Brüstung angebracht war. Die Kopfbauten der Ostfassade orientierten sich thematisch am Mittelrisalit, jedoch sind die Fenster dichter angeordnet und im Obergeschoss bilden zwei Pilaster die seitlichen Abschlüsse.

Datei:Polytechnikum Ostrisalit.jpg
Ostrisalit des Polytechnikums nach dessen Wiederaufbau, 2018

Die restlichen Fassaden sind durch eine engere Anordnung der Fenster geprägt, was für die Belichtung der Zeichensäle nötig war. Oberhalb des Sockels waren die Fassaden jedoch im Gegensatz zur Ostfassade schlicht verputzt, lediglich die Gurtgesimse wurden übernommen. Ansonsten nahmen nur die Kopfbauten der Nord- und Südfassade die Gestaltung der Ostfassade wieder auf, speziell des Mittelrisalites.


Innen

Die Raumaufteilung folgte dem Konzept der Hochschulbauten des 19. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der vielen miteinander zu vereinbarenden Anforderungen. So wurden die wichtigen allgemeinen Räumlichkeiten wie Verwaltung, Aula und Bibliothek, sowie die Mathematik und Naturwissenschaften im Ostflügel untergebracht. Im eingeschossigen Westflügel fanden sich Chemie und Pharmazie wieder, im Süden des Gebäudes waren die Ingenieurdisziplinen untergebracht und im Norden die Architektur.

Ziel der Innengestaltung war es, durch die an den Fluren angeordneten Sammlungsräume mit verglasten Wänden die Wissenschaft auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Verglasung diente außerdem der besseren Belichtung der Korridore.

Die Gänge des Erdgeschosses waren mit Kreuzgewölben überdeckt, große Räume im Erdgeschoss wurden mit Kappengewölben zwischen Eisenträgern überspannt, Sammlungsräume, die Chemieräume sowie die Räume des Obergeschosses waren mit Holzbalkendecken überspannt.

Rezeptionen gegenüber dem Neubau

Neben den Streitigkeiten während der Planungsphase gab es auch im Anschluss kontroverse Debatten über die Baukosten, welche ursprünglich mit 1.707.345 Mark beziffert worden waren, jedoch nach Beendigung der Baumaßnahmen 2.202.000 Mark betrugen. In diesem Zuge wurden auch die im Vergleich zu anderen Polytechnika Neubauten dieser Zeit sehr großen Flächenbedarfe bemängelt.

Der Direktor des Polytechnikums Professor Dedekind kritisierte allerdings auch die Gestaltung, Raumaufteilung und andere bautechnische Bedingungen im Neubau. Kritik kam auch von anderen Stellen, gerade an den Punkten Belichtung der Flure und Räume.

Bau- und Nutzungsgeschichte

Beim Bau des neuen Polytechnikumgebäudes zwischen 1873/74 und 1877 wurde ein Gerüst verwendet, auf welchem Laufkatzen installiert waren, was einen schnellen Baufortschritt ermöglichte. Im Inneren des Gebäudes wurde eine moderne Lüftungs- und Heizanlage eingebaut, welche bereits auf eine effektive Energienutzung abzielte und hohe Lüftungsraten besaß, welche sich auch in den Gebäudeteilen unterschiedlich einstellen ließen. Diese Anlage war in einem zu diesem Zweck angebauten Kesselhaus untergebracht.

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Kesselhaus des Polytechnikums nach Umgestaltung in den 2000er Jahren, heute Laborgebäude, 2018

Bereits zu Beginn der Weimarer Republik waren die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichend und es wurde nach Möglichkeiten gesucht, dem Platzmangel Herr zu werden. Einer der Vorschläge war die Aufstockung des Westtraktes, um die weiteren Chemie- und Pharmazielabore aufnehmen zu können. Bereits zum Sommersemester 1926 konnten die neuen Räumlichkeiten im Westflügel des Gebäudes bezogen werden.

Im zweiten Weltkrieg wurde dann das von Uhde und Körner entworfene Gebäude zum größten Teil zerstört. Bereits 1945 wurde jedoch der Lehrbetrieb an der Technischen Hochschule Braunschweig wieder aufgenommen. Hierzu wurden im Innenhof des Altgebäudes Baracken erstellt und einige unbeschädigte Räume im Ostflügel des Altgebäudes konnten zu diesem Zweck genutzt werden. Bereits in den ersten Planungen wurde auch ein Wiederaufbau des Altbaus in seiner äußeren Form, jedoch mit neuem Innenleben, berücksichtigt.

Da allerdings die Pläne aufgrund verschiedener Faktoren immer wieder geändert werden mussten, wurde zunächst zwischen 1945 und 1950 die noch vorhandene Bausubstanz in Stand gesetzt und gesichert. Währenddessen und darüber hinaus begann der schrittweise Wiederaufbau des Uhde-Baues. Hierbei wurde ein zweiter Baukörper in Form eines scheibenartigen Hochhauses im südwestlichen Innenhof eingefügt.

Beim Wiederaufbau des Inneren des Altgebäudes wurde sich grob an den Uhdeschen Grundrissen orientiert. Allerdings wurden wichtige Änderungen im Grundriss umgesetzt, sodass bessere Belichtungen und klarere Strukturen, besonders auch im immer wieder erweiterten Chemietrakt, erreicht werden konnten.

Die wichtigen Fassaden an der Schleinitz- und an der Pockelsstraße wurden in den größten Teilen wieder aufgebaut, der Südtrakt wurde komplett entfernt. Der Chemietrakt wurde viergeschossig neu erstellt und der westliche Kopfbau wurde nicht wieder aufgebaut sondern durch eine verputzte Fassade mit einem Seiteneingang ersetzt. Die Hoffassaden wurden nicht wieder hergestellt sondern insgesamt neu gestaltet. Außerdem folgte von 1954-56 die Erstellung des Hochhausesnach Plänen von Dieter Oesterlen.



Einordnung in das zeitgenössische Bauen/Konstruieren

Der Neubau für das Braunschweiger Polytechnikum fällt in den aufkommenden Trend, Gebäude dieser Art in einer U-Form zu errichten, bildet aber eine Ausnahme, da es eher üblich war, die Chemieräumlichkeiten in einem baulich getrennten Teil unterzubringen. Uhde integriert die Chemielaboratorien allerdings in einem baulich deutlich unterschiedlichen Teil des Hauptgebäudes und sorgt damit auch für einen besonderen Fall in der Planung, da hierdurch eine O-Form entsteht.

Die Gestaltung des Gebäudes mit einer Orientierung am Schlossbau und der italienischen Renaissance war in dieser Zeit üblich. Außerdem kommen keine außergewöhnlichen Materialien oder Bauweisen zum Einsatz.

Insgesamt ist das Gebäude in seiner ursprünglichen Form ein für seine Zeit übliches Bauwerk dieses Nutzungszweckes, mit einigen Umsetzungsvarianten.

Bilder


Quellen

  • Technische Universität Braunschweig : vom Collegium Carolinum zur Technischen Universität ; 1745 - 1995 / Walter Kertz; Peter Albrecht / Hildesheim / 1995
  • Neubau der Herzoglichen Technischen Hochschule in Braunschweig, entworfen und ausgeführt von Uhde und Körner. Veröffentlicht im Auftrage des Herzoglichen Staatsministeriums / Constantin Uhde; Carl Körner / Berlin / 1881
  • Collegium Carolinum und Technische Universität Braunschweig : 250 Jahre braunschweigische Universitätsgeschichte / Gerd Biegel / Braunschweig / 1995
  • Die feierliche Eröffnung des Polytechnikum Carolo-Wilhelminum zu Braunschweig am 16. October 1877 / Braunschweig/ ca.1878

Einzelnachweise

[1] Elmar Arnhold